: Alle waren drin
Nachtaktive Schalker bestätigen beim 5:0 gegen tagträumende Gladbacher ihren Ruf als Pokalmannschaft
SCHALKE taz ■ Ein Fußballspiel unter der Woche um 20.30 Uhr stattfinden zu lassen, ist keine glückliche Entscheidung. Nicht für die Fans, nicht für die Spieler, und schon gar nicht für die Verantwortlichen beider Vereine. Wenn die Live-Übertragung der ARD zusätzliches Geld in die klammen Kassen der Klubs spült, drückt man aber gerne ein Auge zu. So war es nicht verwunderlich, dass es weder auf Schalker noch auf Gladbacher Seite langer Überzeugungsarbeit bedurfte, um der Sache zuzustimmen. Zumal eh mit einer ausverkauften „Arena AufSchalke“ gerechnet werden konnte. Wenn sich aber die öffentlichen Entscheidungsträger, in Person von ARD-Intendant Fritz „Valium“ Pleitgen und DFB-Rechtsaußen Gerhard Mayer-Vorfelder, aus Sensationsgier kurzerhand dazu entscheiden, auch noch die Partie zwischen Bayern München und Hannover 96 mit auf den Kanal zu nehmen und so den Anstoß des Spiels auf Schalke noch weiter nach hinten zu schieben, ist Unmut vorprogrammiert.
Während die Fans den Schuldigen schnell und mal wieder – diesmal zu Unrecht – bei den Bayern suchten, rechnete nach dem Spiel ein sich und seinen Verein persönlich beleidigt fühlender Rudi Assauer gnadenlos mit der DFB-Spitze ab. „Diese Vorgehensweise zeigt einmal mehr die Führungsschwäche des DFB. Das wird ein Nachspiel haben“, drohte Assauer. Schließlich sei Fußball kein Zirkus und es sei „bei der Sache“ einzig und allein darum gegangen, „live dabei zu sein, wenn die Bayern erneut verlieren“. Von einer Katastrophe für den Fußball war die Rede. „Nicht auszudenken“, fand selbst TV-Kommentator Heribert Faßbender, wie alles gekommen wäre, wenn das Bayernspiel auch noch in die Verlängerung gegangen wäre. Es tat es nicht. Bayern gewann fristgerecht mit 2:1. Das Spiel in der Arena konnte mit 20-minütiger Verspätung beginnen – und somit doch noch an dem Tag enden, an dem es begonnen hatte. Mit einem 5:0 für Schalke.
„Wir waren auf halb neun eingestellt“, lautete später Hans Meyers sarkastischer Kommentar zu der Nichtleistung seiner Gladbacher Mannschaft. Tagträumende Fohlen waren den nachtaktiven Knappen gnadenlos ausgeliefert. Außerdem manifestiert sich die Erkenntnis: Pokal ist Schalker Angelegenheit. Der zweifache Titelverteidiger zeigte sich am Mittwoch von einer ganz anderen, in dieser Saison noch nicht gesehenen Seite. Von der spielerischen Lethargie der letzten Bundesligawochen gab es keine Spur. Doppelpässe, Hackentricks – zelebriert von Gustavo Varela (der sich im Spiel allerdings eine Schädelfraktur sowie einen Bruch des Mittelhandknochens zuzog und länger ausfallen wird), Emile Mpenza und zum 3:0 vollendet von Ebbe Sand – gepaart mit der aus dem Spiel in Cottbus bekannten Effizienz. Fünf Schüsse kamen in den ersten 55 Minuten auf das Tor, alle waren drin.
„Die Chancenausnutzung der Schalker war schon nicht schlecht“, sagte ein völlig ratloser Jörg Stiel hinterher. Kleiner Trost für den Gladbacher Keeper: Wirklich haltbar war keiner dieser Bälle. Ebbe Sand, zuletzt reichlich ausgebrannt wirkender Kapitän der Schalker, traf alleine dreimal. Die Anwesenheit Mpenzas, bekannt als Sturmpartner aus besseren Zeiten, schien ihn einmal mehr zu beflügeln. Wenn beide zusammen auf dem Platz stehen, ist das Ergebnis mehr als die Summe der beiden Einzelteile.
Für die Schalker gilt es nun, den Pokalschwung in die Bundesliga mitzunehmen. Für die Gäste gilt eher das Gegenteil. Die Gladbacher Abwehrspieler konnten sich während der gesamten 90 Minuten nicht auf das variable Angriffsspiel der Schalker einstellen. Die einzige echte Torchance war ein Kopfball an die Latte – in der 88. Minute. „Das war desolat. Wir sind vorgeführt worden“, fand Hans Meyer. So wurden 60.600 im Stadion und mehrere Millionen an den Bildschirmen Zeugen einer Fohlenschlachtung, die den vorläufigen Höhepunkt einer stetigen Negativentwicklung darstellt. Platz 16 in der Bundesligatabelle scheint da kein Zufall. Mehr noch: Er wurde im Pokal schmerzhaft bestätigt. HOLGER PAULER
DFB-Pokal, 2. Runde: Bahlinger SC - Waldhof Mannheim 1:2, Holstein Kiel - VfL Bochum 1:2, Bayern München - Hannover 96 2:1, Kickers Offenbach - 1. FC Nürnberg 2:3 n.V., LR Ahlen - SSV Reutlingen 3:1, Bayer Leverkusen - VfB Stuttgart 3:0, FC St. Pauli - Werder Bremen 0:3, Energie Cottbus - 1. FC Kaiserslautern 0:1, Schalke 04 - Bor. M’gladbach 5:0
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