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Burgfrieden in Hessen gestört

Peinlicher Auftritt für Roland Kochs Finanzminister Weimar: Weil er eine landeseigene Immobilie zum Spottpreis verkaufte, muss er vor einen Untersuchungsausschuss treten. Der Minister verteidigt sich, doch die Landtagswahl rückt näher

aus Wiesbaden KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT und HEIDE PLATEN

Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) wand sich gestern vor dem Untersuchungsausschuss „Burg Staufenberg (Unterburg)“ des hessischen Landtages schlangengleich aus einer Affäre, die nur wenige Wochen vor den Landtagswahlen am 2. Februar 2003 für die Landesregierung unter Ministerpräsident Koch immer peinlicher zu werden droht. Weimar war gestern vor dem Ausschuss nicht bereit, die volle politische Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die landeseigene Burg Staufenberg mit angeschlossenem Hotel- und Gaststättenbetrieb für nur 500.000 Euro an den Unternehmer Rolf Lohbeck verkauft wurde.

Dabei hatte das bisherige Pächterehepaar Schmidt, das 34 Jahre lang die Burg bewirtschaftete, dem Land zuvor schon einmal 1,2 Millionen Euro für die renovierungsbedürftige Immobilie geboten. Weimar ganz persönlich versicherte der Familie Schmidt noch im Februar dieses Jahres mit seinem „Ministerwort“, dass sie bei der anstehenden öffentlichen Ausschreibung beim Höchstgebot eines anderen Interessenten in die Sache einsteigen und mit einem dann darüber liegenden eigenen Gebot die Burg letztendlich erwerben könne.

Dass es dazu nicht kam und nicht mehr Geld in die chronisch defizitäre Landeskasse floss, lastete Weimar jetzt vor allem dem Hessischen Immobilienmanagement (HI) an, das – organisatorisch – dem Finanzministerium angegliedert ist. Und auch Mitarbeitern seines Hauses müsse er „Vorwürfe machen“. Denn weder vom HI noch von der Fachabteilung des Ministeriums sei der Familie Schmidt das Höchstgebot – wie von Weimar zuvor versprochen – mitgeteilt worden. Weimar: „Das war kein Glanzstück.“ Er selbst habe sich um die Sache nicht mehr gekümmert. Um überhaupt im Rennen bleiben zu können, bot das verunsicherte Pächterehepaar zuletzt „blind“ 100.000 Euro für die Burg. Das aber wurde den Schmidts am Ende zum Verhängnis. Denn Weimar bastelte aus dem Bericht der HI über die beiden vorliegenden Gebote die Kabinettsvorlage für den Verkauf – und auch die entsprechenden Beschlussanträge für den Haushaltsausschuss und den Landtag. Die Wahl fiel dann nicht schwer: 500.000 Euro für die Burg – oder nur 100.000 Euro.

Der Pflegeheimbetreiber Lohbeck bekam den Zuschlag. Das Gebot der düpierten Familie Schmidt wurde als „Provokation“ gewertet. Doch damit nicht genug. Das Staatsbauamt Darmstadt nämlich hatte noch im Sommer ein neues Gutachten über den Wert der Burg erstellt. Von 565.000 Euro war da nur noch die Rede; im Jahre 2000 wollte das Land die Burg noch für umgerechnet rund 1,8 Millionen Euro verkaufen. Vor dem Ausschuss sprach Weimar von „veränderten Marktbedingungen“. Die Schmidts erfuhren nichts von diesem neuen Gutachten; aber Lohbeck wusste Bescheid. Entsprechend niedrig dann sein Angebot. Wer aber informierte Lohbeck? Und warum verkaufte das Land die Burg nicht schon im Jahre 2000 für die von der Familie Schmidt damals gebotenen 1,2 Millionen Euro?

Weimars Kabinettskollege Volker Bouffier (CDU) jedenfalls hatte das vehement befürwortet. Weimar führte gestern „Renovierungskosten“ an. Die hätten die Schmidts von der angebotenen Kaufsumme „wieder abziehen“ wollen. Die Schmidts bestreiten das. Die Oppositionsparteien jedenfalls haben ihre umfangreichen Fragenkataloge noch lange nicht abgearbeitet. Lohbeck will die umkämpfte Burg jetzt weiterverkaufen, weil er von den „politischen Spielchen“ in Wiesbaden angeblich „die Schnauze voll“ hat.

Weil Lohbeck die Burg nicht bewohnt, sie aber ein Kulturgut des Landes ist, kostet die Bewachung den Steuerzahler weiterhin rund 16.000 Euro – monatlich. Und was sagt Roland Koch dazu? Vorläufig nichts. Aber Weimar hat schon ein neues Problem am Hals. Das Computersystem für die Landesverwaltung, für das der Minister einmal 50 Millionen Euro veranschlagt hatte, kostet aktuell eine viertel Milliarde. Die Opposition tobt erneut.

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