: Gute Führung beim Falschen
Mächtiger Drogenboss Kolumbiens wegen „guter Führung“ aus Knast entlassen
BUENOS AIRES taz ■ Kolumbiens Justiz hat den Chef des berüchtigten Cali-Kartells vorzeitig aus der Haft entlassen. Der 63-jährige Gilberto Rodríguez Orejuela verließ in der Nacht zu gestern das Gefängnis von Cómbita nahe der Hauptstadt Bogotá. Vor einer Woche hatte ein Richter die vorzeitige Haftentlassung des Drogenbarons und seines Bruders wegen „guter Führung“ angeordnet. Zur Begründung hieß es, die Drogenbrüder hätten im Knast studiert und gearbeitet. Klagen über sie gebe es in ihren Akten nicht.
Kolumbiens rechtspopulistischer Präsident Álvaro Uribe versuchte die Freilassung der Brüder noch zu verhindern. „Es ist vorzuziehen, dass einige protestieren und dass man mich parteiisch nennt, aber wir müssen die Würde der Nation verteidigen“, sagte er. Eiligst peitschte die Staatsanwaltschaft auf Geheiß der Regierung eine Beschwerde durch. Der Gefängnisdirektor von Cómbita wurde abgesetzt, weil er sich für die Freilassung der Drogenbarone eingesetzt hatte. Doch es half nichts.
Am Freitag entschied ein Gericht in zweiter Instanz, dass Gilberto Rodríguez Orejuela freigelassen werden muss. Nur sein Bruder muss weitere vier Jahre absitzen. In seinem Fall konnte die Staatsanwaltschaft Verfahrensfehler nachweisen. Gilberto musste nur noch eine medizinische Untersuchung und ein soziologisches Gutachten über sich ergehen lassen. Als er dann spät in der Nacht das Gefängnis verließ, waren vor dem Knast in Cómbita Einheiten der Armee mit mehreren gepanzerten Fahrzeugen in Stellung gegangen.
Von seiner 15-jährigen Haftstrafe musste er nur sieben Jahre absitzen. Beachtlich für einen Mann, der vor seiner Festnahme 1995 mit seinem Bruder 80 Prozent der Kokainproduktion Kolumbiens kontrolliert haben soll und den die USA noch immer als einen der wichtigsten Drogenhändler der Welt ansehen. US-Außenamtsprecher Richard Boucher bezeichnete die Freilassung denn auch als „unglücklich“.
Rodríguez’ Ruhm reichte bis in das Gefängnis von Cali, wo er und sein Bruder bevorzugt behandelt wurden. Deshalb waren sie vor einem Jahr nach Cómbita verlegt worden. INGO MALCHER
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