: Telefonieren statt schießen
Israels High-Tech-Branche präsentiert sich auf der größten Messe des Landes geschwächt wie die ganze Wirtschaft. Mit staatlicher Förderung kann sie aber immer noch rechnen
TEL AVIV taz ■ „Es gibt nichts, was Israel besser beschreibt als Telekommunikation: modern, prosperierend, innovativ“, erklärte Israels Regierungschef Ariel Scharon Anfang der Woche, als er vor über 1.000 internationalen Gästen die Telecom-Israel 2002 eröffnete. Gestern ging die Messe zu Ende.
Die Bedeutung der wichtigsten Wirtschaftsschau des Landes ergibt sich nicht auf den ersten Blick. „Wirklich Neues gibt es hier nicht zu sehen“, erklärt der Belgier Jan Hybrechts, Regionalmanager für Israel beim Materna-Konzern. „Eine kleine Messe, die sich hauptsächlich an die Endverbraucher richtet.“ Rund 100.000 Gäste haben sie in dieser Woche besucht. In Deutschland entspräche das einem guten Regionalmessenschnitt. „Wir sind ein kleines Land“, sagt auch Reuven Rivlin, Israels Minister für Kommunikation. Aber: Dieses kleine Land steht an der Spitze der Teletech-Nationen. Israel lebt von Tourismus und der Telekommunikation.
Und weil seit Beginn der zweiten Intifada von dem einen nichts mehr zu erwarten ist, steht die andere besonders unter Druck. Das Land setzt auf die „technologische Intelligenz“. Statistisch gesehen sind von 10.000 Beschäftigten in Israel 135 Ingenieure – fast doppelt so viele wie in den USA. Mittlerweile kommen über 50 Prozent der Exporteinnahmen aus den High-Tech-Branchen. Hauptzielländer sind Russland, China und Japan.
Allerdings sinkt der Erlös der High-Tech-Exporte nach vorsichtigen Schätzungen in diesem Jahr um 15 Prozent auf etwa 11 Milliarden Euro. Von mehr als 2.000 Start-ups aus dem letzten Jahr sind noch 1.000 übrig. Allein seit dem Sommer verloren gut 3.000 IT-Spezialisten ihren Job, Comverse, der US-amerikanisch-israelische Experte für Sprachmitteilungen, hat gerade 600 Mitarbeiter entlassen.
Zu fragen, ob und inwieweit die Schäden durch die aktuelle Gewaltwelle verursacht werden, ist tabu. „Was wir in Israel erleben, ist dem weltweit schwachen Trend in der Branche geschuldet“, erklärt Eitan Mosden, Marketingchef von Nortel Networks Israel, stattdessen.
Trotzdem werden noch 3 Prozent des stark zusammengestutzten Staatshaushaltes ausschließlich in IT-Start-ups gepumpt. „Dadurch können die Firmen in Ruhe innovative Technologien entwickeln, ohne von Risikokapitalgebern abhängig zu sein“, so Rivlin. Die Firmen zahlen das Geld sukzessive ab dem Moment zurück, in dem die Technologien verkauft oder produziert werden.
Marktbeobachter wie der Belgier Hybrechts loben dieses Fördersystem, warnen jedoch auch: „Momentan realisiert der Markt neue Technologien gar nicht, weil es an Nachfrage fehlt.“ Umschwärmt ist auf der Messe immerhin das 3 g-Handy auf CDMA-Basis, das US-amerikanische Pendant zur europäischen UMTS-Technologie.
„Telekommunikation ist der beste Weg zum Frieden“, sagt Rivlin. „Wer miteinander redet, erschießt sich nicht gegenseitig.“ Eine der sieben Ausstellungshallen der Telecom-Israel ist allerdings ganz dem Militär vorbehalten, das die wehrhafte, datenvernetzte Armee präsentiert: Dass Israel zum Teletech-Branchenstar avancierte, haben überhaupt erst die Forschungsprogramme des israelischen Militärs bewirkt. NICK REIMER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen