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„Für Bauern in Afrika und Studenten in Lyon“

Der italienische Attac-Aktivist Emiliano Brancaccio sieht die Gefahr, dass die Bewegung der Globalisierungskritiker sich bei der Debatte über die Öffnung der Agrarmärkte spaltet. Bei der Reform der Finanzmärkte und der Tobin-Steuer habe man dagegen gemeinsame Positionen

taz: Hier in Florenz treffen sich Leute mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Kann das zur Schwäche der Bewegung werden?

Emiliano Brancaccio: Ich sehe in den vielen biografischen, kulturellen, politischen Differenzen den Reichtum unserer Bewegung. Natürlich müssen wir intensiv daran arbeiten, mit Blick auf unsere konkreten Ziele einen gemeinsamen Nenner zu finden, aber wenn uns das gelingt, wenn wir ein klares politisches Projekt verfolgen, wird unsere Vielfalt unsere Stärke – einfach weil wir zu den unterschiedlichsten Milieus sprechen.

Das Motto des ESF beinhaltet ein dreifaches Nein: „Gegen Neoliberalismus, gegen Krieg, gegen Rassismus“. Ist die Bewegung heute denn in der Lage, auch positive gemeinsame Ziele zu formulieren?

Unser dreifaches Nein ist vollkommen gerechtfertigt, aber ich würde heute schon ein Ja hinzufügen – ein Ja zur Reform der monetären Weltordnung, die wir mit der Tobin-Steuer wie auch mit vielen anderen Instrumenten erreichen wollen, um eine drastische Senkung der Zinsen zu erzielen und so die Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern radikal umzugestalten. Damit kommen wir auch aus der Ecke der angeblich rein ethischen Bewegung heraus, die sich bloß für die anderen, für die Armen in der Dritten Welt einsetzt. Unsere Forderung ist für den Bauern in Afrika genauso relevant wie für Arbeiter in London oder Studenten in Lyon.

Die sich aber womöglich auf anderen Feldern gar nicht einig sind.

Wenn wir zum Beispiel über die Warenmärkte reden, laufen wir Gefahr, dass in der Bewegung tiefe Differenzen aufbrechen. Da gibt es die einen, die aus durchaus ehrenwerten Motiven vertreten, dass die Landwirtschaft der EU weiter geschützt werden müsse, und dagegen stehen Vertreter der Dritten Welt, die die Öffnung unserer Märkte einklagen. Wir können jedoch sofort eine hohe Übereinstimmung erzielen, wenn wir uns auf die Analyse der Finanzmärkte konzentrieren. Mit der Forderung nach Kontrolle der Kapitalbewegungen, unter anderem per Tobin-Steuer, können wir Konsens mobilisieren, der auch über unsere Bewegung hinausgeht.

Aber reicht das? Hier beim ESF geht es schließlich nicht nur um die Reform der Finanzmärkte.

Das ist gar kein Widerspruch. Die Reform der Finanzmärkte betrifft doch auch die Frage des Friedens genauso wie die Frage, wie unsere Demokratien aussehen werden. Deshalb halte ich sie für ein Schlüsselelement. Auf diesem Feld – und das ist ein sehr positiver Eindruck, den ich hier beim ESF gewonnen habe – hat die Bewegung schon zu einer gemeinsamen Sprache gefunden.

Wie sieht das „andere Europa“ aus, das hier zum Ziel erklärt wird?

Schöner. Respektvoller gegenüber den Rechten der Bürger, fähiger, seine historischen Wurzeln zu bewahren und seine sozialstaatlichen Traditionen weiterzuentwickeln, sprich den Schwächeren unter den Bürgern sozialen Schutz zu gewähren. Es wird ein Europa der Arbeit und der Umwelt sein – hoffen wir, dass wir es auch zu Gesicht kriegen. Wir jedenfalls tun alles, damit es Wirklichkeit wird. INTERVIEW: MICHAEL BRAUN

E. Brancaccio hat für Attac den dem italienischen Parlament vorgelegten Gesetzesvorschlag zur Einführung der Tobin-Steuer ausgearbeitet.

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