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Studenten immer im Bild

Videoüberwachung an der Humboldt-Universität. Kameras senden aus den Hörsälen. Es gibt keine Aufzeichnung, sagt die Hochschule. Studierende protestieren: Verletzung der Informationsfreiheit

von THOMAS GOEBEL

Die Berliner Humboldt-Universität (HU) überwacht ihre Hörsäle mit Vidokameras. So genannte „Starenkästen“ nehmen die Hörsäle während der Lehrveranstaltungen auf und übertragen die Bilder in einen zentralen Technikraum hinter dem Audimax, dem größten Hörsaal. Unter den Studierenden regt sich nun Protest gegen diese Praxis.

Nach Angaben der HU sollen die Aufnahmen aus den Hörsälen lediglich den Technikern dabei helfen, die Mikrofone der Professoren auszusteuern. Im zentralen Technikraum wird Lautstärke und Tonqualität aller Vorlesungen geregelt.

„Die Kameras sind eine vehemente Grundrechtseinschränkung“, sagt Carlos Katins, Jurastudent an der HU. „Mich hat niemand gefragt, ob ich das will.“ Die technische Beobachtung hat Katins zufällig entdeckt: „Aus Langeweile“ habe er während einer Vorlesung im Audimax in den Technikraum geschaut: „Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich die Bilder aus den anderen Hörsälen sah.“

Der ReferentInnenrat der HU, die Vertretung der Studierenden, kennt das Problem bereits. „Es gab immer mal wieder einzelne Beschwerden von Studierenden“, sagt Sarah Ernst. „Uns wurde von der Universitätsleitung immer nur versichert, dass es keinen Missbrauch gibt.“

Die Berliner PDS fordert nun, die Kameras in den Hörsälen abzuschalten: „Die Videoüberwachung kollidiert mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, erklärte gestern der wissenschaftpolitische Sprecher der PDS, Benjamin Hoff. Er habe sich deshalb bereits an den Berliner Datenschutzbeauftragten, Hansjürgen Garstka, gewandt. Der will sich zu den Hörsaal-Kameras bisher noch nicht äußern. „Wir haben gerade von dem Problem erfahren“, teilte seine Sprecherin mit. „Wir werden das jetzt so schnell wie möglich prüfen.“

„Juristisch sehr wackelig“ sei das Vorgehen der HU, sagt auch Nils Leopold. Der Berliner Rechtsanwalt schreibt gerade seine Doktorarbeit zum Thema Videoüberwachung. „Der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Lernenden und Lehrenden muss mit dem Interesse der Uni abgewogen werden“, sagt er. Es sei „sehr fraglich“, ob eine Erleichterung des technischen Betriebs der HU für solch einen Eingriff ausreiche.

André Kuhring, Datenschutzbeauftragter der HU, hält dagegen: „Es findet überhaupt keine Überwachung statt.“ Mit der vorhandenen Technik könnten die Bilder aus den Hörsälen nicht aufgezeichnet werden, den Technikern gehe es nur darum, „zu sehen, wer vorne am Pult steht“. Alle zwei Stunden schaue ein Mitarbeiter für einige Minuten auf die Monitore. Die Universität habe nicht genug Techniker für jeden Hörsaal, Mikros müssten deshalb zu Beginn jeder Vorlesung zentral ausgesteuert werden.

Damit „niemand glaubt, dass wir überwachen, ob alle in ihre Bücher schauen“, will Kuhring jetzt Informationsschilder in den Hörsälen aufhängen. Jurastudent Katins reicht das nicht aus: „Im Zweifelsfall bleibt der Klageweg.“

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