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Geizen mit den Spartipps

Mehr Teilzeit, weniger Hierarchien, keine Beförderungen: Die gestern von den Gewerkschaften vorgelegten Sparvorschläge für den öffentlichen Dienst bieten wenig Neues. Senat reagiert reserviert

von RICHARD ROTHER

Im Streit um Einsparungen im öffentlichen Dienst steuern die Gewerkschaften und der rot-rote Senat weiter auf Konfliktkurs. Nach den ergebnislos abgebrochenen Gesprächen über den so genannten Solidarpakt präsentierten die Gewerkschaften gestern Sparvorschläge, die kaum über das Bisherige hinausgehen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) signalisierte daraufhin zwar Gesprächsbereitschaft, lehnte aber die Vorschläge als nicht ausreichend und illusorisch ab (siehe Interview). Auch PDS-Fraktionschef Stefan Liebich begrüßte zwar die „Gesprächsbereitschaft“, sieht aber noch „ein erhebliches Maß an Diskussionsstoff“.

Mit dem Solidarpakt will der SPD-PDS-Senat langfristig 500 Millionen Euro an Personalkosten im öffentlichen Dienst pro Jahr sparen; geplant waren Einschnitte bei Lohnsteigerungen, beim Weihnachts- und Urlaubsgeld. Allein die Personalausgaben des Landes entsprechen in etwa seinen Steuereinnahmen.

Die Gewerkschaften schlagen jetzt vor, gemeinsam mit dem Senat eine Teilzeitoffensive im öffentlichen Dienst zu starten. Ihre Rechnung: Würden sich etwa 15 Prozent der Beschäftigten freiwillig auf eine 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich einlassen, ließen sich bis zu 250 Millionen Euro einsparen. Dieses Ziel sei in einer Arbeitsgruppe bei den Solidarpaktverhandlungen sogar von Vertretern des Senats als realistisch eingeschätzt worden, hieß es. „Dazu ist aber ein anderes Klima notwendig“, sagte Ver.di-Landeschefin Susanne Stumpenhusen gestern.

Darüber hinaus wollen die Gewerkschaften durch den Abbau von Hierarchieebenen bis zu 1.500 Stellen und damit rund 82,5 Millionen Euro sparen. Zudem sollen durch den Verzicht auf Beförderungen rund 30 Millionen Euro weniger ausgegeben werden. Einen Eingriff in bundesweit geltende Tarifverträge lehnten die Gewerkschaften ab.

Nach den gestrigen Vorschlägen der Gewerkschaften dürfte der rot-rote Senat an seinen einseitigen Maßnahmen – Verlängerung der Arbeitszeit für Beamte und Kündigung der Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte nach Austritt aus dem öffentlichen Arbeitgeberverband – festhalten. Letzeres eröffne den Weg des Widerstands, so Stumpenhusen. In der Tat könnte dann auf Berliner Ebene über neue Tarifverträge verhandelt und – gegegebenfalls – gestreikt werden. Angesichts der Finanzlage der Stadt verspricht sich Stumpenhusen aber offenbar keine großen Erfolge von neuen Tarifverträgen. Im Fall der Kündigung wirkten für Gewerkschaftsmitglieder zunächst die alten nach, betonte die Ver.di-Chefin.

Kritisiert wurden die Gewerkschaften gestern nicht nur vom Senat, sondern auch von der Opposition. Was sie inhaltlich vorgelegt hätten, überzeuge inklusive der angegebenen Einsparpotenziale nicht, so die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz.

Aber auch im eigenen Lage beginnt es zu brodeln. In einer Jugendzeitschrift des Berliner Beamtenbundes wird jetzt davor gewarnt, „fortlaufend andere Forderungen aufzustellen, die die Probleme langfristig nicht lösen“. Ver.di vertrete nur noch Arbeitnehmerinteressen West und älterer Beschäftigter. Diese Kritik der jungen Beamten ist allerdings nicht ganz uneigennützig: Weil im Beamtenrecht Einschnitte leichter umzusetzen sind als im Tarifrecht für Angestellte und Arbeiter, fürchten die Beamten in erster Linie Verschlechterungen für sich. Ihre Hoffnung: Wird bei Arbeitern und Angestellten mehr gestrichen, müssen die Beamten weniger Einbußen hinnehmen.

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