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Więcej polskiego nie ma

Mehr Polnisch gibt es nicht. Schließlich bieten schon drei Schulen Polnisch an. An 49 Schulen kann man Russisch lernen. Brandenburg dagegen hat begriffen, dass die Osterweiterung vor der Tür steht

von UWE RADA

Innovatives findet man in Berlin derzeit dort, wo man es kaum erwartet, zum Beispiel in Lichterfelde-Süd. Am dortigen „Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung“ begann im September der Berufsunterrricht der ersten „ProPolska-Klasse“. Zwölf angehende Kaufleute lernen seitdem nicht nur Polnisch, sondern freuen sich auch darauf, sechs Monate ihrer insgesamt drei Jahre dauernden Ausbildung in Polen zu verbringen. Willkommen in der Wirklichkeit.

Weniger willkommen ist Polnisch dagegen an Berliner Schulen, und das, obwohl die Osterweiterung der Europäischen Union vor der Tür steht und Polnischkenntnisse in der Wirtschaft zunehmend nachgefragt werden. Von den 753 Gymnasien, Hauptschulen, Ober- und Gesamtschulen der Hauptstadt bieten nur drei Polnisch als Fremdsprache an: die Goerdeler-Grundschule in Charlottenburg, die Robert-Jungk-Schule, eine Gesamtschule in Wilmersdorf sowie das Gabriele-von-Bülow Gymnasium in Reinickendorf.

Selten gingen Anspruch und Realität der Berliner Schulpolitik so auseinander wie beim Thema Polnischunterricht. So hatte Schulsenator Klaus Böger (SPD) noch vor kurzem in einer Rede zum Thema „Stadt des Wissens“ betont: „Wir haben in Berlin die besondere Chance, dass wir die Sprache unserer Nachbarländer, insbesondere Polnisch, stärken.“

Warum es bei der Ankündigung Bögers bislang blieb, erklärt seine Sprecherin Rita Hermanns so: „Wir haben eine Haushaltssperre und einen Einstellungsstopp, daran wird sich so schnell auch nichts ändern.“ Außerdem, so Hermanns, halte sich auch das Interesse an Polnisch in Grenzen.

In der Tat. In der Robert-Jungk-Oberschule zum Beispiel entscheiden sich nur etwa zehn Schülerinnen und Schüler pro Jahrgangsstufe für Polnisch als zweite Fremdsprache. In der Bülow-Schule haben 20 Schüler der Klasse 9 mit dem Polnischunterricht als Begegnungssprache begonnen.

Ganz anders sehen dagegen die Zahlen in Brandenburg aus. Über 1.200 brandenburgische Schüler lernen Polnisch, verkündet ein sichtlich stolzer Bildungsminister Steffen Reiche (SPD). „Damit ist Brandenburg das Bundesland mit den meisten Polnischschülern.“

Woher rührt dieser Unterschied? Schließlich wird regulärer Polnischunterricht in Brandenburg auch nur an vier Schulen in Frankfurt (Oder), Guben, Gartz und Neuzelle unterrichtet. Anders als in Berlin wird Polnisch in Brandenburg aber nicht nur von den Schulen, sondern auch von der Politik ernst genommen. So legte das Pädagogische Landesinstitut Brandenburg im August einen Rahmenlehrplan Polnisch vor, der den Unterricht der Nachbarsprache auch als interkulturelle Aufgabe im Zusammenhang mit der Osterweiterung begreift. In Berlin dagegen ist ein solcher Plan noch nicht einmal in Bearbeitung.

Vor allem aber lässt sich Brandenburg seinen Polnisch-Unterricht auch etwas kosten. Neben den knapp 900 Schülern, die Polnisch als zweite Fremdsprache belegen, lernen in den Grundschulen über 300 Schüler Polnisch als Begegnungssprache. Das entsprechende Programm „Spotkanie heißt Begegnung – Ich lerne Deine Sprache“ finanziert die Landesregierung mit jährlich 400.000 Euro. Hinzu kommen noch 30 Lehrerstellen.

Doch neben dem Geld ist in Brandenburg auch mehr Engagement vorhanden. Bereits 116 Brandenburger Schulen haben eine Partnerschaft mit einer Schule auf der anderen Seite von Oder und Neiße geschlossen.

Von solchen finanziellen und kulturellen Investitionen in die Zukunft ist in Berlin dagegen keine Rede. „Selbst wenn wir mehr für Polnisch werben und sich mehr Schüler für Polnisch als Unterrichtssprache entscheiden würden, wäre noch lange nicht gesagt, dass das auch umgesetzt werden kann“, bedauert Böger-Sprecherin Hermanns. Schließlich gibt es an den drei Berliner Universitäten, anders als in Potsdam, nicht einmal einen Studiengang Lehramt Polnisch.

Russisch dagegen kann man an der Humboldt-Universität noch immer als Lehramt studieren. Und wenn es darum geht, Russisch als zweite Fremdsprache zu belegen, stehen den Berliner Schülern immerhin 49 Schulen zur Auswahl. „Das ist noch ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten“, sagt Bögers Sprecherin Rita Hermanns. „Das wollten wir nicht abschaffen.“

Vielleicht hat man aber auch geglaubt, dass sich der wirtschaftliche Boom in der Ost-West-Metropole Berlin ohnehin zwischen Berlin und Moskau vollzieht. Einen Rahmenplan Russisch hat die Berliner Schulverwaltung nämlich schon längst verabschiedet.

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