WEITERE ENTLASSUNGEN DER TELEKOM GEHEN AUF KOSTEN DER KUNDEN: Der Telefonriese sägt am eigenen Ast
Nun hat die Deutsche Telekom AG also endlich ihren neuen Vorstandschef. Der Neue, Kai-Uwe Ricke, kommt aus dem eigenen Hause, weil den Belegschaftsvertretern im Aufsichtsrat ein externer Kandidat zu riskant war: Sie fürchteten einen Kahlschlag im gesamten Konzern. Immerhin hat Interims-Vorstandschef Sihler angekündigt, er werde 50.000 der 250.000 Telekom-Mitarbeiter im In- und Ausland entlassen. Nun haben die Betriebsräte mit Ricke bisher gute Erfahrungen gemacht – was aber auch zu erwarten war. Immerhin führte er mit dem Bereich T-Mobile die ständig expandierende Handytochter des Konzerns. Künftig ist er für die gesamte Firma verantwortlich. Und da drücken vor allem die 64 Milliarden Euro Schulden samt Zins- und Tilgungszahlungen.
Ursprünglich sollten Kleinaktionäre die Schulden der Telekom reduzieren. Der Plan: Sie kaufen für teures Geld Minderheitsanteile an T-Mobile und der Internetsparte T-Online. Dummerweise platzte inzwischen die New-Economy-Blase, die beiden Sparten bringen auf absehbare Zeit wenig ein. Ebenfalls dumm aus Sicht der Telekom-Vorstände ist das verlorene Telefonmonopol. Früher wurden bei großem Geldbedarf einfach die Preise angehoben – das geht nun nicht mehr wegen der Wettbewerber und der gut funktionierenden bundeseigenen Aufsichtsbehörde. Also bleibt – egal wer Chef ist – nur eisernes Sparen.
Hier hat Ricke durchaus ein wenig Spielraum. Wenn er etwa 10.000 Stellen weniger abbaut als anvisiert, kostet das geschätzte 150 Millionen Euro mehr im Jahr. Das sind im Verhältnis zu den Schulden, aber auch zu den bisherigen jährlichen Investitionen wirklich Peanuts. Der etwas langsamere Ausbau etwa der neuen Multimedia-Handynetze brächte mehr Geld. Denn derzeit sind weder genug Lieferanten noch die Kundschaft reif für all die versprochenen neuen Dinge wie Online-Aktienkurse, Bildübertragung oder Musik über das Handy.
Ein irgendwie gearteter Kompromiss mit dem Betriebsrat ist Ricke darüber hinaus nicht nur wegen der Motivation der Telekom-Mitarbeiter zu empfehlen, sondern auch wegen der Motivation der Kunden: Immerhin hat der Telefonriese schon 100.000 Arbeitsplätze abgebaut, seit der Staatskonzern privatisiert wurde. Unter einer neuen Entlassungswelle würden Service und Wartung des bestehenden Netzes sowie die Entwicklung neuer Produkte garantiert leiden. Es wäre eine Rationalisierung auch auf Kosten der Kundschaft, was schon oft auf lange Sicht nach hinten losging. Und auf lange Sicht muss der neue Chef planen – schließlich ist er erst 41 Jahre alt. REINER METZGER
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