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Leere Kasse nach teurem Einkauf

Die Deutsche Telekom AG schreibt mit 24,5 Milliarden Euro den größten Verlust, den jemals eine DAX-Gesellschaft vorgelegt hat. Das normale Geschäft ist allerdings satt im Plus. Aufsichtsrat wählt Kai-Uwe Ricke jetzt offiziell zum neuen Chef

von REINER METZGER

Die Deutsche Telekom AG ist nach ihrem Kurssturz zwar nicht mehr das wertvollste Unternehmen Deutschlands, aber sie ist immer noch gut für Superlative. So dürfte kaum eine Firmenpersonalie der vergangenen Jahre dermaßen Aufregung in Politik und Medien ausgelöst haben wie der Abschuss des Vorstandschefs Ron Sommer durch die Bundesregierung im Juli. Seitdem wurde eine neue Nummer eins gesucht, praktisch jeder bekannte deutsche Manager ins Gespräch gebracht und wieder dementiert. Gestern nun tagte der T-Aufsichtsrat und beschloss einstimmig: Der Neue heißt Kai-Uwe Ricke.

Ricke ist 41 Jahre alt und seit Januar 1998 Chef der Abteilungen Mobilfunk und Online der Telekom. Damit war er schon bisher für das neue Kerngeschäft des Konzerns verantwortlich. Unter seiner und Ron Sommers Ägide wurde der Bereich T-Mobile stark ausgebaut, in Europa und den USA. Damit ist Ricke aber auch mit verantwortlich für die astronomischen Preise beim Kauf von Firmen in diesem Bereich – etwa die circa 40 Milliarden Euro, die von der Telekom für den relativ kleinen US-Handybetreiber Voicestream geboten wurden.

Mit dem jungen Vorsitzenden waren die Superlative gestern aber noch nicht abgeschlossen. Die Telekom präsentierte die Zahlen für das dritte Vierteljahr und summierte ihren Verlust in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres auf 24,5 Milliarden Euro. Das ist der höchste Verlust, den jemals ein im Aktienindex DAX notiertes Unternehmen verbucht hat. Und dort sind immerhin 30 deutsche Großkonzerne versammelt.

Trotz des Rekordverlustes droht der Telekom aber noch nicht die Pleite: Enthalten sind im Minus rund 20,3 Milliarden Euro an Sonderabschreibungen für UMTS-Lizenzen (ersteigert von Finanzminister Hans Eichel und längst bezahlt) sowie Auslandstöchter – vor allem die notorische Voicestream. Das sind Buchwerte, die nun wirklichkeitsnäher in die Bilanz geschrieben werden. Ron Sommer verzögerte diese Korrekturen, weil er damit zugegeben hätte, zu teuer eingekauft zu haben.

Das laufende Geschäft der Telekom hingegen wirft einen Riesengewinn ab: Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) steig im Vergleich zum Vorjahr um 5,6 Prozent auf 12 Milliarden Euro. Das Ebitda sind grob gesagt die Einnahmen minus die direkten Kosten des Konzerns. Rechnet man davon die Zins- und Tilgungszahlungen ab, sowie die Steuern, liegt der Konzerngewinn vor den Sonderabschreibungen bei minus 4,2 Milliarden Euro.

Beim Umsatz legte Europas größter Telekom-Konzern um 12 Prozent auf 39,2 Milliarden Euro zu. Trotz der Steigerung ist ein Stellenabbau von knapp 55.000 der derzeit 250.000 Stellen weltweit bis 2005 geplant.

Bei seiner Aufgabe dürfte der neue Vorstandschef sich Beratung bei seinem Vater Helmut holen: Der führte den „rosa Riesen“ von 1989 bis 1994 vom Staatskonzern zur Aktiengesellschaft. Damals hatte der Konzern noch 350.000 Mitarbeiter.

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