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Perfekt gelenkter Widerstand

Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Robin Wood waren so gut überwacht, dass sie keinerlei Möglichkeiten zu effektiven Aktionen hatten

aus dem Wendland NICK REIMER

Der Protest gegen den dritten Castor-Transport, der gestern nach 61 Stunden Fahrt seinen Bestimmungsort im Zwischenlager Gorleben erreichte, ist Geschichte. Was hat er gebracht? Was war an ihm anders? Auch wenn die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg wie üblich nach dem Einlochen der Castoren eine positive Bilanz zog – gemessen an der Zahl der Personen war der Widerstand geringer als je zuvor. Dorfgründungen auf der Transportstrecke, Fußballspiele zwischen verschiedenen Anti-Castor-Gruppen – sicherlich hat sich der wendländische Protest auch diesmal wieder überaus facettenreich und bunt präsentiert. Dem selbst formulierten Anspruch jedoch, den Zug aufzuhalten, ist er diesmal weniger denn je gerecht geworden.

Natürlich versuchte auch die Kampagne „X-tausendmal quer“ (www.x1000malquer.de) wieder auf die Gleise zu kommen. Allerdings ging es dem Bündnis diesmal nicht vordergründig darum, den Zug aufzuhalten. Ihr Anspruch war ein anderer: „Wir wollen den Zusammenhang zwischen Demokratie und Castor aufzeigen“, sagt Sören Janssen, Sprecher des Bündnisses. Es sei nicht wesentlich, wie viele Minuten der Transport verzögert werde. „Wesentlich ist, dass nach wie vor viele Menschen Zivilcourage gegen eine verantwortungslose Atompolitik zeigen.“ Und damit den Zustand der Demokratie verdeutlichen. Janssen: „Über Wochen wurde wieder einmal über eine ganze Region der Ausnahmezustand verhängt. Es wurden Grundrechte massiv eingeschränkt, Protest kriminalisiert.“

Unterstützung erhielt der Protest diesmal von anwaltlicher Seite. „Die demokratischen Grundrechte verschwinden im Keller“, kritisiert Rechtsanwalt Martin Lemke, Vorstandsmitglied des Republikanischen Anwaltvereins (RAV). Der hat sich zur Aufgabe gemacht, das Vorgehen von Polizei und Gerichten juristisch unter die Lupe zu nehmen. Die Inanspruchnahme des Demonstrationsrechtes sei mit hohem persönlichen Risiko verbunden, meint der Vorsitzende des RAV, Wolfgang Kaleck: „Die Staatsanwaltschaft hat zuletzt im geforderten Strafmaß drastisch angezogen.“ Die Zahl von 950 Ingewahrsamnahmen sei zwar deutlich geringer als zuletzt. „Wir können aber nicht erkennen, dass der Prozess der juristischen Verfolgung von Castorgegnern in irgendeiner Form an Schärfe abgenommen hat.“ Der RAV werde die Fälle genau prüfen.

In ihrer Analyse hoben sowohl die BI als auch X-tausendmal quer hervor, dass es gelungen sei, „den Protest nach außen zu tragen“. Das in der Tat ist neu: Nie wurde der Zug, bevor er das Wendland erreichte, so lange aufgehalten. Aufgrund der Gleisblockaden vor dem Wendland erreichten die Castoren Lüneburg mit fast zehn Stunden Verspätung. Die von den Demonstranten im Wendland erzwungenen Verzögerungen waren nicht einmal halb so lang.

Das ist der wesentliche Erfolg der Polizei. Mit ihrer Erfahrung aus den vergangenen Transporten agierte die Staatsmacht souverän. Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Robin Wood waren so gut überwacht, dass ihre Aktivisten keinerlei Chance zu effektiven Aktionen hatten. In der Nacht zu gestern hatten bei Laase etwa 1.200 Menschen die Straße blockiert. Die Polizei ließ die Demonstranten über zwei Stunden gewähren – so hatte man den Protest an einem Punkt unter Kontrolle. Ein Großteil der Atomgegner gab nach der Räumung in den Morgenstunden zu Protokoll, die Beamten seien „sehr human“ vorgegangen. Manche hätten gar ihren Namen genannt, bevor sie zur Räumung schritten – falls es später Beschwerden geben sollte.

Allerdings räumte Einsatzleiter Hans Reime ein, dass „die Protesttaktik der Nadelstiche“ der Polizei diesmal wesentlich mehr Probleme bereitet hat als beim letzten Castor-Transport. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass Reime seine Zielvorgabe aufgeben musste, mit deutlich weniger Beamten auszukommen als beim letzten Mal. Mit 16.700 Beamten waren nur tausend weniger im Einsatz als im März. Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) drängte daher gestern neuerlich auf eine „schnellere Suche nach Alternativen zum Endlager Gorleben“.

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