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Der Freiburger Solararchitekt Rolf Disch baut Häuser für das dritte Jahrtausend

von BERNWARD JANZING

Plötzlich ist der Berg weg. Wer bei Rolf Disch zu Besuch ist, muss sich daran gewöhnen, dass die Landschaft am Haus vorbei zieht. Nicht wirklich schnell, aber doch merkbar – exakt in jenem Tempo, wie die Sonne am Himmel ihre Bahn zieht. So fängt das Haus zu jeder Tageszeit die Sonnenenergie optimal ein. „Heliotrop“ hat der Solararchitekt sein Gebäude am Freiburger Schlierberg daher auch genannt.

Spielerei ist das nicht. Rolf Disch ist keiner jener Architekten, der am Zeichentisch mit ungewöhnlichen Entwürfen nach künstlerischer Selbstverwirklichung strebt und dabei die Hausbewohner vergisst. Er ist Pragmatiker. Die vornehme Aufgabe eines Architekten sieht er darin, dem Menschen im Einklang mit der Natur hochwertigen Lebensraum zu schaffen. Und weil er zu alledem auch noch genauso sehr Ästhet wie ein ungemein kreativer Kopf ist, kommen stets außergewöhnliche Lösungen heraus.

Das Heliotrop eben. Auch Baumhaus genannt. Von einer vierzehn Meter hohen tragenden Zentralsäule aus, in der sich eine Wendeltreppe befindet, gelangt man in die Räume. Spiralförmig sind sie in dem Rundbau angeordnet. Hier also ist er zu Hause, der vielfach ausgezeichnete Solararchitekt. Auch zwei weitere Projekte dieser Art hat Disch inzwischen realisiert. Eines für eine Firma in Offenburg, das andere für die Basler Messe Swissbau.

Die Liste seiner Preise ist lang. Den deutschen Solarpreis erhielt Disch 1994 für den „Solargarten Munzingen“, eine Solarsiedlung vor den Toren Freiburgs; dann 1995 den Deutschen Architekturpreis für das Heliotrop. 1997 wurde er von der Zeitschrift Capital zum „Ökomanager des Jahres“ gekürt. Nun erhält er für sein Gesamtengagement den Europäischen Solarpreis. Und bevor er Solarhäuser baute, gewann er Autorennen – auch diese natürlich betrieben mit Sonnenkraft: 1987 war er Weltmeister bei der „Tour de Sol“. So hat Disch das Image der Solarstadt Freiburg, wo er 1944 geboren wurde, entscheidend geprägt. Zuerst lernte er Möbelschreiner und Maurer, dann studierte er Bautechnik und Hochbau. Und heute unterhält er ein Architekturbüro mit zehn Mitarbeitern. Sobald irgendwo das Wort Solararchitekt fällt, folgt meistens der Name Disch.

Aber wie es so ist mit dem Propheten im eigenen Land – in Freiburg hatte es Disch nie leicht. Was vielleicht auch daran liegt, dass er so gradlinig ist. Er setzt allein auf die Kraft der Fakten. Aber das reicht leider manchmal nicht. So musste er sein jüngstes und spektakulärstes Projekt, die Solarsiedlung am Schlierberg, die mehr Energie von der Sonne erntet als die Bewohner verbrauchen („Plusenergiehäuser“), in zähem Kampf gegen Politik und Verwaltung vor Ort durchfechten. Am Ende bekam er es nur teilweise realisiert.

Eine Blamage für die Solarstadt: Aus aller Welt, besonders zahlreich aus Japan, kommen bis heute die Reisegruppen, um das Projekt zu bestaunen. Die Stadt Freiburg unterdessen nahm Disch einen Teil des lange zugesagten städtischen Geländes wieder weg, als der Architekt die für Null-acht-fünfzehn-Bauten gängigen Planungszeiten nicht einhalten konnte. Jetzt entstehen dort ebensolche architektonischen Schmalspurbauten. In Freiburg, wo Solarenergie zum Alltag gehört, hat man offensichtlich verlernt, das Besondere zu schätzen.

Manchmal ärgert es ihn. Diese Stadt, seine Heimatstadt, die sich immer mit der Solarenergie schmückt – aber dann doch so wenig für das umweltgerechte Bauen tut. Ob der Druck der klassischen Bauwirtschaft der Grund ist? Disch ist kein Verschwörungstheoretiker, und doch weiß er natürlich, dass die vielen Feld-Wald-und-Wiesenarchitekten, bei denen schon als modern gilt, was die geltenden Wärmeschutzgesetze haarscharf übertrifft, sein Treiben kritisch beäugen. Sollte das ökologische Bauen im Stile Dischs zum Standard werden, müssten viele Kollegen einpacken.

Man kann ihn als den kreativsten Architekten der Republik ansehen. Er weiß das – und dennoch ist er stets auf dem Boden geblieben. Weil ihm die Sache wichtiger ist als Aufhebens um seine Person; Eitelkeit hat ihm noch keiner nachgesagt. Dafür aber Hartnäckigkeit. Disch hat gelernt, mit den Widerständen zu leben. Immer freundlich, immer zupackend, immer auch ein wenig hemdsärmelig kämpft er für das Bauen des neuen Jahrtausends. Stets in der Gewissheit: Die Zukunft wird ihm Recht geben.

Disch ist Optimist. Und er setzt mit seinen Häusern bewusst ein Zeichen gegen die verbreitete Miesmacherei: „Wir jammern nicht über hohe Ölpreise, wir fordern nicht den Wegfall der Ökosteuer, wir hoffen auch nicht auf Energiekostenbeihilfe vom Staat“, sagt er gern, wenn er von sich und den Bewohnern seiner Häuser spricht. Denn er weiß, dass es jeder selbst in der Hand hat, ob er sich von steigenden Energiepreisen überrollen lässt – oder aber vorbaut. Zum Beispiel mit seinen Plusenergiehäusern, die kleine Kraftwerke sind, weil sie in der Gesamtbilanz Energie abgeben. Staunende Gesichter ist Disch gewöhnt, wenn er davon erzählt. Doch dann rechnet er vor – und am Ende stimmt’s: Aus seinen Häusern kommt Energie raus.

Weil die Energiepreise langfristig mit Sicherheit deutlich steigen werden, dürfte das Konzept in Zukunft sogar noch an Attraktivität gewinnen: „Auf eine Plusenergiebauweise zu verzichten, wird jeden Bauherren schon in den nächsten zehn Jahren teuer zu stehen kommen“, prophezeit Disch.

Unterdessen haben die Entwicklungen ihm Recht gegeben. Disch plante seine Solarsiedlung zu einer Zeit, als der Ölpreis extrem niedrig war, als es noch keine Ökosteuer gab und auch noch keine angemessene Vergütung für Solarstrom. All das wurde erst im Nachhinein aktuell. Rolf Disch empfindet dabei Genugtuung: „Wir haben mit unserem Projekt eben vorausgedacht.“ Er wird diesen Satz in Zukunft noch öfter sagen können.

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