: h.g. hollein kinderteller
Die Frau, mit der ich lebe, hat ein Problem. Nicht, dass es besonders groß wäre – vielleicht 50 Zentimeter, dabei höchstens 15 Kilo schwer, gerade mal vier Jahre alt und hauptberuflich Tochter eines Paares, das wir fürs Wochenende zum Essen eingeladen haben. Mit dem Heranrücken des Termins liegt die Gefährtin zusehends in den Klauen der Versagensangst. „Was um Himmels Willen essen denn bloß Vierjährige?“ flehte sie mich ratsuchend an. „Alles“, lautete mein souveräner Bescheid. „Oder nichts.“ Die Gefährtin bedankte sich recht artig für diese Auskunft und griff umgehend zum Telefon. Zu ihrem Verdruss gab mir Freund Ch., Vater einer Sechsjährigen, im Wesentlichen Recht. „Ich dachte an Gnocchi mit Steinpilzen“, versuchte es die Gefährtin zaghaft. „Pilze kannste vergessen“, antwortete Ch. bündig, „und Gnocchi sehen für die Minis aus wie überdimensionierte Maden.“ Irgendwie wollte die Gefährtin das nicht hören und bestand darauf, ein weiteres Orakel zu befragen. Allein, Freundin U. (Tochter 12), kam auch nicht mit der erhofft elaborierten Speisefolge rüber. „Pommes“, war alles, was ihr die Gefährtin in einem zunehmend drängenderen Verhör entlocken konnte. Am Ende lieferte Freund F. doch noch den erlösenden kulinarischen Kracher: „Fischstäbchen an Spaghetti unter Ketchup.“ Und fügte hinzu: „Keine Sorge, ein gepflegter Chablis spült alles runter.“ Seitdem spielt der Teint der Gefährtin merklich ins Blassgrüne.
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