: Breitseite Jodeln
Guter Country findet nicht nur unter Cowboyhüten statt. Das beweist die Hamburger Allstar-Band Cow
Dass die Hamburger Schule schon immer eine herzliche Verbindung zur Country-Music hatte, hörte man am allerdeutlichsten bei Fink, aber auch in der romantischen Verzweiflung Blumfelds und der Einsamer-Mann-reitet-in-den-Sonnenuntergang-Attitüde von Tilman Rossmy oder Bernd Begemann. Fast logisch erscheint es da, dass sich eine Hamburger Allstar-Band Cow nennt, um sich ganz dem liebevollen Bewahren eher ortsfremder Traditionen zu widmen.
Entstanden sind Cow vor drei Jahren, als sich Peta Devlin, Bassistin von Die Braut Haut ins Auge, Thomas Wenzel, der dasselbe Instrument bei den Sternen bedient, und Ecki Heins, der einfach so Geige, Banjo und Mandoline spielt, zusammentaten. Später kam noch Thomas Butteweg von den Incredible Sinalco Bums dazu, und schnell wurden sie von Franz Dobler, Augsburger Schriftsteller, genötigt, ihn bei seinen Lesungen zu begleiten. Für Dobler und andere wie ihn, die darauf hoffen, dass Entäußerungsmusik wie Country modernisiert werden kann, präsentierten sich Cow als Rettung. Und das ungleich mehr als die schon seit wesentlich längerer Zeit agierenden F.S.K. aus Bayern, weil deren Ansatz viel spinnerter und sperriger ist und vor allem nicht von der mythischen Verklärung der US-Vorbilder ausgeht.
Mit F.S.K. haben Cow zwar schon zusammen aufgenommen, aber wenn sie wie in „Under Your Spell“ die volle Breitseite Jodeln und Slide-Gitarre einsetzen oder „Selling What She Used To Give Away“ die Fiedel zum Square Dance aufspielt, dann ist da wenig gebrochen, da wird mit bloßen Händen im Erdreich gewühlt. Ironie ist eher selten zu hören, so wenn in „Household Full of Strangers“ ein säuselnder Männerchor einsetzt oder die ersten Zeilen von „Country Shirt“ erklingen: „For you I would wear my best country shirt / the best shirt in my whole collection.“
Aber natürlich wären Cow nicht lieber in Nashville zur Welt gekommen. Dazu posieren sie im Cover-Inlet von „Feeding Time“ zu offensiv in einem eindeutig deutschen Mischwald und verkünden ein wenig kokett, wo die Platte aufgenommen wurde: in der „Dithmarschener Natur“ nämlich und teilweise sogar „mitten im Wald“. Country, soll das bedeuten, guter Country zudem kann überall sein, nicht nur unter Cowboyhüten.
Das den Menschen nahe zu bringen, das haben sich Cow vorgenommen. In einem älteren Interview erzählte Devlin, dass sie bei der ersten Tournee ihrer Band am meisten gefreut hat, dass nach den Auftritten immer wieder Leute zu ihr kamen und sich bedankten. Es sei ihr erstes Country-Konzert und trotzdem ganz toll gewesen. „Als ob sie gerade eine schlimme Krankheit überlebt hätten“, sagt Devlin. Cow, die Band, die heilen kann.
THOMAS WINKLER
Morgen, 21 Uhr, zusammen mit Franz Dobler im Roten Salon, Volksbühne
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