: Es brennt im Hause Tony Blair
Feuerwehrstreik bringt britische Regierung auf Konfrontationskurs mit militanten Gewerkschaftlern. Die Streikenden wollen40 Prozent mehr Lohn – Premier Blair lehnt ab. Weil die Armee nur ungenügend einspringen kann, gibt es Tote bei Bränden
von RALF SOTSCHECK
Es war ihr erster Streik seit 25 Jahren. Großbritanniens Feuerwehrleute haben gestern einen 48-stündigen Warnstreik beendet, der den Auftakt zu einer Serie von Aufständen bildet. Der nächste Streik ist bereits für die kommende Woche geplant. Dann soll er acht Tage dauern. Zwei weitere Streiks von je acht Tagen sollen noch vor Weihnachten stattfinden.
Die Gewerkschaft der Feuerwehrleute (FBU) fordert Lohnerhöhungen von 40 Prozent. Ihr Generalsekretär Andy Gilchrist sagte: „Die Formel, die unseren Lohn an die allgemeine Lohnentwicklung seit dem Streik von 1977 anpasst, ist überholt. Es würde eine Lohnerhöhung von 21 Prozent erfordern, um uns auf den Stand von 1977 zu bringen. Wir verdienen wöchentlich 100 Pfund weniger als der durchschnittliche Arbeiter. 30.000 Pfund im Jahr wären angemessen für die Aufgaben und die Verantwortung, die Feuerwehrleute heutzutage haben.“
Die Regierung lehnt die Forderung ab. Premierminister Tony Blair sagte: „Keine Regierung der Welt könnte Forderungen nach 40 Prozent Lohnerhöhung nachgeben.“ Er hatte eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die eine Lohnerhöhung von 4 Prozent in diesem Jahr empfahl – und weitere 7 Prozent, die an eine Verbesserung der Produktivität gebunden sein sollen.
Die Medien und die Öffentlichkeit sind den Forderungen der Feuerwehrleute nicht sonderlich freundlich gesonnen. Die Armee soll bei Bränden einspringen, hat aber keinen Zugriff auf die Feuerwehrautos. So verbrannten während des ersten Streiks vier Menschen. Die 76-jährige Violet Davies fiel in ihrem Haus in Wales Flammen zum Opfer – die Armee war zwar neun Minuten nach dem Notruf eingetroffen, doch sie verfügte lediglich über antiquierte Feuerwehrwagen. Eine Gruppe von Feuerwehrleuten verließ den Streikposten und half beim Feuerlöschen, doch die Frau starb zwei Stunden nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus. Kurz darauf kam ein älterer Mann bei einem Feuer in Burnley in Nordengland um.
Gestern gestand FBU-Chef Gilchrist der Armee das Recht zu, die Wagen der Feuerwehr einzusetzen, wenn es zum achttägigen Streik kommt. Die Armee hat in einer „Operation Fresco“ 19.000 Soldaten zur Feuerbekämpfung abgestellt, aber sie haben aus eigenen Beständen lediglich 827 Wagen zur Verfügung, die höchstens 50 Stundenkilometer fahren dürfen, weil sie sonst in Kurven umkippen. Es gab gestern und vorgestern viel mehr falschen Alarm als sonst, viele Autos wurden angezündet. Offenbar wollten die Täter die Soldaten in Aktion erleben. Außerdem brach in London der Verkehr zusammen, weil die U-Bahn-Fahrer sich weigerten, in Abwesenheit eines funktionierenden Brandschutzes zu arbeiten.
Verteidigungsminister Geoff Hoon sagte, der Streik sei falsch, weil dadurch Truppen gebunden werden, die sich auf den Krieg gegen den Irak vorbereiten müssen. Dabei habe Premierminister Tony Blair erklärt, es gebe gar keine Pläne für einen Angriff auf den Irak, wunderte sich der Mirror gestern. Das normalerweise Labour freundlich gesinnte Boulevardblatt schrieb: „Hoon benutzt eine schlechte Außenpolitik, um eine schlechte Innenpolitik zu rechtfertigen.“
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