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Einsätze „größer, teurer und gefährlicher“

Polizeipräsident verzichtet künftig auf die Dienste eines Mitarbeiters, der sich um Szene-Kontakte gekümmert hatte

Das Gespräch war kurz. „Wir legen auf ihre Mitarbeit keinen Wert mehr.“ Polizeipräsident Udo Nagel meinte damit den sozialwissenschaftlichen Mitarbeiter der Polizei, Rüdiger Bretthauer. Nagel teilte dem Politologen unverblümt mit, dass sein Job unter Schwarz-Schill nicht mehr in die politische Landschaft passe. Bretthauer hatte bei der Polizei die Aufgabe, den Kontakt zur Szene zu halten und so auch auf Kundgebungen deeskalierend zu wirken. „Wenn uns die Möglichkeiten genommen wird, Deeskalationsstrategien zu fahren, werden unser Aufgaben gefährlicher“, sagte ein ranghoher Polizeioffizier am Samstag am Rande der Bambule-Demo dazu: „Aber wenn die politischen Vorgaben künftig so sind wie heute, Härte zu zeigen und viel Material einzusetzen, ist diese Position tatsächlich überflüssig.“

Bretthauer steht seit 1987 im Dienst der Polizei. Die Einstellung des Politikwissenschaftlers war eine direkte Konsequenz aus dem Hamburger Kessel-Debakel. Damals hatte die Einsatzführung 861 AtomkraftgegnerInnen zum Teil 13 Stunden lang auf dem Heiligengeistfeld eingekesselt, auch weil sie einer eklatanten Fehleinschätzung über die Motivation der Menschen, die dort spontan demonstrieren wollten, aufgesessen war.

Bretthauer ist kein Beamter, sondern Angestellter, er obliegt also nicht dem Legalitätsprinzip nach dem Motto: „Was ich weiß, muss ich auch zur Anzeige bringen.“ So bestehen seine Aufgaben unter anderem darin, mit gewissen politischen Strömungen und Gruppen in Kontakt zu treten – auch oder gerade im Vorwege von Demonstrationen, – um mögliche unnötige Reibungspunkte mit der Polizei auszuloten und abzubauen. Das brachte ihm zwar auch zuweilen den Vorwurf des „Spitzels“ ein, trotzdem war Bretthauer bei Demo-Leitungen oft akzeptiert oder konnte manche Konfrontationen – so an der Hafenstraße, der Roten Flora oder bei Kurden-Demos – abwenden.

Aber auch im Apparat galt er als Anlaufperson: Als sich der Polizist Uwe Chrobok 1993 dem Bereitschaftspolizeichef Jens Herrmann offenbarte und über Misshandlungen auf dem Polizeirevier Kirchenallee am Hauptbahnhof berichten wollte, verwies Herrmann ihn an Bretthauer. Chroboks Angaben waren später Auslöser des Hamburger Polizeiskandals.

Bretthausers Dienste sind nun nicht mehr erwünscht. Zutreffende Lagebilder, Analysen und direkte Kontakte zur „Szene“ halten jedoch einige Polizeiführer immer noch für wichtig. „Sonst werden die Einsätze immer größer und teurer und für die eingesetzten Kräfte gefährlicher“, bestätigt auch ein anderer Offizier. „Es wächst auch die Gefahr, durch krasse Fehleinschätzungen durch den Staatsschutz mit einem polizeilichen Übermaß zu reagieren und so die Schwelle der Verhältnismäßigkeit zu überschreiten.“ Und dann stünden als Folge wieder die Einsatzführer am Pranger oder sogar wie beim Hamburger Kessel vor dem Kadi: „Der Senat wird sich die Frage stellen müssen, ob es wirklich eine intelligente Idee ist, diesen Bereich zu vernachlässigen.“ Bretthauer selbst war zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen – und auch nicht mehr auf der Bambule-Solidemo anwesend. Kai von Appen

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