Gemischte Bilanz zum Abschied

Nach zehn Jahren beendet die UNO ihre Mission in Bosnien und Herzegowina. Generalsekretär Annan hebt Mitwirkung der Organisation am Friedensprozess hervor

SARAJEVO taz ■ Zumindest eine Sorge hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, jetzt weniger. Fast gleichzeitig mit dem Beginn der neuen Aufgaben im Irak wird die Mission der UNO in Bosnien und Herzegowina geschlossen. Nach 10 Jahren ziehen sich die Vereinten Nationen mit ihrer politischen Mission aus dem Land zurück. Die Flüchtlingshilforganisation UNHCR, das Kinderhilfswerk Unicef und andere humanitäre Unterorganisationen werden aber vorerst noch bleiben und ihre Tätigkeit fortsetzen.

Der Besuch in Sarajevo am vergangenen Wochenende bot für Annan auch Anlass, selbstkritisch zur Geschichte der UN in Bosnien Stellung zu nehmen. „Der größte Misserfolg der UN bestand während des Krieges in Bosnien darin, dass die UN-Truppen Unprofor nicht in der Lage waren, die Menschen zu schützen“, erklärte er während einer Pressekonferenz nach Gesprächen mit bosnischen Politikern.

Am vergangenen Sonntag hatte er bei einer bewegenden Feier in Erinnerung an die 275 in Bosnien getöteten Blauhelmsoldaten bedauert, dass hunderttausende von Menschen in Bosnien unter den Augen der internationalen Gemeinschaft sterben mussten. Er erinnerte in Anwesenheit des jetzt amtierenden Präsidenten von Bosnien und Herzegowina, dem Mitglied der serbischen Nationalpartei SDS, Mirko Sarović, an das Schicksal der im Krieg von serbischen Truppen eingeschlossenen Stadt Sarajevo.

Der ehemalige Anhänger des als mutmaßlicher Kriegsverbrecher gesuchten Serbenführers Radovan Karadžić nahm die Ausführungen Annans sichtlich betroffen zur Kenntnis. Kofi Annan, der erst nach dem Misserfolg im Bosnienkrieg zum Generalsekretär der UN aufstieg, erinnerte aber auch an die Erfolge der UN-Mission.

So haben die Vereinten Nationen nach dem Krieg nicht nur ihre humanitäre Hilfe fortgesetzt, sondern mit anderen Institutionen der internationalen Gemeinschaft, in Zusammenarbeit beispielsweise mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Office of High Representative (OHR), am Friedensprozess mitgewirkt. Die UN-Mission unter ihrem Leiter, dem aus dem Elsaß stammenden Amerikaner Jacques Klein, tat sich insbesondere bei dem Aufbau einer neuen Polizei hervor. Seit Ende des Krieges im Dezember 1995 bildeten bis zu 1.700 Polizisten aus über 40 Ländern in allen Landesteilen Bosnien und Herzegowinas die neuen Polizeikräfte aus und garantierten durch ihre Anwesenheit gemeinsam mit den Nato-Truppen die Sicherheit für die Bürger.

Dass Bosnien heute mit seiner niedrigen Kriminalitätsrate zu den sichersten Ländern Europas gehört, ist nicht zuletzt der Arbeit der UN-Mission zu verdanken, wenngleich in den letzten Jahren zunehmend Kritik am Bürokratismus und an der Effektivität vieler Mitarbeiter aus nichteuropäischen Ländern laut wurde. Die Funktionen der UN-Polizei wird mit dem 1. Januar 2003 durch eine Polizeitruppe der Europäischen Union übernommen, die um die 500 Mitarbeiter stark werden soll. Dem Vernehmen nach sollen viele der schon jetzt im Rahmen der UN tätigen EU-Polizisten unter dem neuen Mandat nach Bosnien zurückkehren.

In Zukunft muss verstärkt am Aufbau der Grenzpolizei gearbeitet werden, woran die EU angesichts des Menschenschmuggels durch Bosnien in die Staaten der EU ein besonders großes Interesse hat. Für die insgesamt 1.500 lokalen Mitarbeiter, darunter Übersetzer, Bodyguards, Fahrer, Büroangestellte, bedeutet die Auflösung der UN-Mission allerdings den Gang in die Arbeitslosigkeit. Nur die wenigsten werden wohl von der EU wieder angestellt werden. Die internationalen Organisationen waren bisher der größte Arbeitgeber im Lande. ERICH RATHFELDER