Tütü in Rosarot

Das schwul-lesbische Blatt „Queer“ hat einen Relaunch gewagt. Inhaltlich fällt der allerdings eher dünn aus

Auf den ersten Blick sieht sie gar nicht aus wie ein schwul-lesbisches Magazin. Erst recht nicht zwischen Pin-up-Gazetten wie Männer aktuell oder Adam. Aber auch schon vor ihrem Relaunch war die Queer unter all den Homoblättern ein Fremdkörper. Im Zeitungsformat kam sie eher gediegen daher. Nun hat sie sich zum Magazin gewandelt. Eine Klebebindung hält 280 Seiten(!) zusammen, die sich immer noch nach Zeitungspapier anfühlen. Auf dem Cover ein knallbunter Cartoon von Ralf König. Beinahe glaubt man, einen MAD-Sammelband in Händen zu halten. Fehlt bloß Alfred E. Neumann, wie er im rosa Ballettkleidchen herumtüdelt.

„Mit den neuen Möglichkeiten des Magazindrucks können wir unsere journalistische Kompetenz endlich ins rechte Licht setzen“, sagt Herausgeber Micha Schulze. Tatsächlich hat er mit den Jahren eine Redaktion aufgebaut, die bislang ohne Konkurrenz ist. Zur Homoehe oder zu Ereignissen wie dem Selbstouting von Klaus Wowereit war Queer lange unschlagbar. Auch ältere Schwule, Transen oder Lesben mit Kindern, die von anderen Szenemagazinen kaum beachtet werden, konnten sich wiederfinden.

Doch der Relaunch ist inhaltlich eher dünn. Ulrike Folkerts etwa hat für einen Kommentar „herausgefunden, dass sich gerade Lesben und Schwule wahnsinnig viele Gedanken machen, warum sie wohl so sind, wie sie sind“. Aha. Wenig aussagekräftig bleibt auch die Fotostrecke „Rosa von Praunheim privat“.

Allzu knapp sind die Porträts über schwule und lesbische Bundestagsabgeordnete geraten. Dabei war es einst ein Anliegen von Schulze, dem süffisanten „Häppchenjournalismus“ etwas entgegenzusetzen. Seriosität zum Beispiel. Diese lässt etwa der Erotikteil ganz und gar missen. Da schreit einem eine Headline entgegen: „Gemein! Homo-Sex mit Heteros“. Es geht um eine „heiße Braut“, die Heteromänner verführt und in erregtem Zustand ihren schwulen Freunden überlässt. Ob das die „hochwertigen Markenartikler“ goutieren, die man mit dem Relaunch als Werbepartner gewinnen will?

„Die Reaktionen auf unser neues Heft waren überwältigend“, sagt Schulze. Andererseits räumt er ein, dass sich die Redaktion „aufgrund des Zeitdrucks und der Umstellung des Formats“ auf viele Kompromisse einlassen musste. Damit sei eindeutig „Kreativität auf der Strecke geblieben“. Da kann man nur hoffen, dass die Begeisterung über das neue Format den redaktionellen Ehrgeiz nicht hemmen wird. Denn sonst würde sich Queer von anderen Homomagazinen bald kaum mehr unterscheiden. AXEL KRÄMER