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„Sehen Sie, jedes Objekt kann kaputtgehen“

Claus-Peter Davenport, 61, ist Sprecher des „Germanischen Lloyd“. Er hält den „Prestige“-Untergang für einen unglücklichen Zufall

taz: Herr Davenport, ist die „Prestige“ wegen Sicherheitsmängeln havariert?

Claus-Peter Davenport: Nein. Es gab es keine Sicherheitsmängel.

Wie bitte?

Es hat alle seine Überprüfungen gemacht. Die Ölgesellschaften selber führen strikte Besichtigungen durch. Auch der Flaggenstab und die Port State Control haben dieses Schiff vorher gesehen.

Wer war dann schuld?

Kann man nicht sagen. Es ist mit Erfüllung aller Auflagen zur See gefahren. Pech ist nur, dass es ein Ein-Hüllen-Schiff ist. Seit 1. Juli 1993 dürfen nur noch Schiffe mit Doppelhülle gebaut werden.Trotzdem gibt es Ausnahmen für Ein-Hüllen-Schiffe. Sehen Sie, jedes Objekt kann kaputtgehen. Hier war es eine Verkettung unglücklicher Zufälle.

Wie ein simpler Verkehrsunfall?

Ich kenne keine Details. Das Schiff stand nun nicht unter unserer Kontrolle, es war bei einer anderen Klassifikationsgesellschaft. Aber dort auf See herrschten einfach Zustände, die wir uns hier an Land kaum vorstellen können.

Kann man denn trotz des Wetters den Zufall minimieren?

Wichtig ist zum Beispiel, dass die Doppelhülle festgeschrieben wurde. Am 1. Januar 2002 fuhren 2.100 von rund 7.300 Tankern mit nur einer Hülle.

Das ist immerhin fast ein Drittel.

Ja, aber das ist wenig. Wir reden hier nur von Tankern. Alle Schiffe, die seit dem 1. Juli 1993 gebaut wurden, sind Doppelhüllen-Schiffe. Und die alten dürfen trotzdem 25 Jahre alt werden.

Trotzdem muss doch irgendwo die Sicherheitslücke sein. Was hat es denn mit Billigflaggen auf sich?

Es gibt keine billige Flagge. Die Vorgaben sind international und entsprechen einem Standard. Wenn ein Reeder eine Firma in England gründet, dann bezahlt er soundso viel Steuern. Und wenn er ein Land findet, in dem er weniger zahlt, dann lässt er seine Schiffe eben dort registrieren. Das scheint der Grund zu sein, dass es so genannte billige Flaggen gibt. Das hat aber nichts mit den internationalen Sicherheitsstandards zu tun.

Jedes Schiff auf dieser Welt fährt also unter den gleichen Sicherheitsbedingungen aufs Meer hinaus?

Ja. Festgelegt durch die IMO, also die International Maritime Organisation, eine UNO-Abteilung.

Kann es trotzdem passieren, dass ein Schiff, das bei Ihnen keine Zulassung bekommen würde, ausläuft?

Nein. Er muss durch die Port State Control am Hafen. Wenn die Polizei aufs Schiff kommt, um sich die Papiere anzuschauen, und die sind abgelaufen, dann darf er nicht raus – fertig.

Woher kommt dann die öffentliche Meinung, Tankerunglücke seien durch mangelnde Sicherheit verursacht?

Scheinbar ist dieses komplexe Thema in den Medien nur schwer zu vermitteln.

Dann ist alles nur Hysterie, durch die Medien verursacht?

Nein, glücklicherweise werden Tankerunglücke wegen der Umweltfolgen kaum noch akzeptiert. Aber es ist nun mal so: Überall kann ein Unglück passieren. Beim Auto platzt ein Reifen, der Motor einen Flugzeuges fällt aus. Was soll man tun? Das Dramatische ist, dass bei einem Tankerunglück das Öl die See verschmutzt. Wir müssen uns nach technischen Verbesserungen umsehen.

Was hat denn der technische Fortschritt der letzten Jahre gebracht?

Die Umweltschäden durch Tankerunglücke sind auf ein Zehntel zurückgegangen. Durch Investitionen in die technisch-konstruktive Sicherheit, neue Kenntnisse der Wissenschaft und in der Überprüfung. Unser Anspruch ist, den Sicherheitskreis so zu schließen, dass uns kein Mangel durch die Lappen geht.

Der WWF fordert eine leistungsfähige europäische Küstenwache.

Entschuldigen Sie, aber wir haben doch eine, die Port State Control. Die Kollegen der einzelnen europäischen Länder arbeiten sehr eng zusammen. Es ist natürlich schwierig, wenn sich zwei oder mehrere Länder miteinander verständigen sollen und dann Kompetenzen abgeben müssen. Das will keiner. Das ist die Schwierigkeit.

INTERVIEW: SUSANNE KLINGNER

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