: Ein liberales Haus
Parteien und Gewerkschaften verurteilen DuMont-Verlagspolitik und den Durchgriff beim „Express“
KÖLN taz ■ Udo Milbret ist entrüstet. „Das ist eine Ungeheuerlichkeit“, empört sich der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Journalistengewerkschaft dju in Ver.di. Und meint den Brandbrief des Kölner Medienmoguls Alfred Neven DuMont an die Chefredaktion seines Boulevardblatts Express (siehe taz vom 19. 11.). Milbret sieht hier einen „massiven Versuch, die innere Pressefreiheit auszuhebeln“.
In seinem Schreiben hatte DuMont die Express-Chefredaktion „nachdrücklich“ aufgefordert, „sich wieder mit der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses zu identifizieren, und dies sofort und ohne Wenn und Aber.“ Auslöser des Zorns des 75-jährigen Verlegers: Der Express am Tag nach der Bundestagswahl. „Herr Schröder glänzt auf der ersten Seite in Siegerlaune“, erboste sich DuMont, den auch die anderen Seiten nicht erfreuten: „Auf Seite 3 abermals Herr Schröder in Siegerpose, auf Seite 4 mit einem lustig kniependen Auge.“ Im Gegensatz dazu sei Edmund Stoiber „auf den Fotos der Seiten 3 und 5 mehr oder weniger zum Witzmännchen degradiert“ worden. Hinzu kämen dann auch noch falsch ausgewählte Leserstimmen: „Die Auswahl der gefragten Leser ist ebenso einseitig rot, aber insbesondere grün dominierend.“ Die Express-Ausgabe „identifiziert sich stark mit Rot/Grün, sodass sie nicht nur einen Teil unserer Leser befremdet, sondern sich auch von der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses entfernt“. Denn die sei „liberal“. Und das heiße „mit Sicherheit auch für eine florierende Wirtschaft in einem florierenden Land“ – also, so offenbar die Logik DuMonts: gegen Rot-Grün. „Als Sie Ihren Vertrag mit unserem Hause eingegangen sind, wussten Sie, dass Sie in ein liberales Haus eintreten“, schreibt DuMont seiner Chefredaktion in dem Brief, der der taz vorliegt (siehe Ausriss).
Die Kölner SPD-Vizevorsitzende und frühere Landesministerin Anke Brunn zeigte sich „sehr betroffen“ über das Schreiben. „Es kann nicht im Sinne der liberalen Tradition des Verlagshauses und auch nicht im Sinne des Verlegers sein, seine ganze Zeitungsfamilie zum schwarzen Kampftrupp umzuformieren“, so Brunn zur taz. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Kölner Stadtrat, Barbara Moritz, meinte, es sei „leider an der Tagesordnung, dass der Verleger auf die inhaltliche Gestaltung seiner Zeitungen massiv Einfluss nimmt“. Ihr Fazit: „Der Express bringt kommunalpolitisch inzwischen nichts mehr außer Stimmungsmache.“
Der aktuelle Brandbrief ist kein Einzelfall. Immer wieder bringt der Kölner Ehrenbürger seine Blätter mit spitzer Feder auf Linie. „In manchen Ressorts haben wir schon ganze Aktenordner mit solchen Schreiben“, sagt ein Redakteur des Express-Schwesterblatts Kölner Stadt-Anzeiger.
Aber nicht nur seine Angestellten beglückt DuMont mit seinen Traktaten. Beim WDR-Intendanten Fritz Pleitgen beschwerte sich DuMont im vergangenen Jahr über das WDR-Lokalfernsehen: „Sie verfolgen mit Ihrer Strategie ein Schema, das in der deutschen Geschichte oft genug seine Vorläufer hat“, zog er einen abenteuerlichen Vergleich. Ohne Rücksicht auf Verluste besetze der WDR „neue Gebiete unter dem Vorwand, dass andere sie sonst später besetzen könnten“. Pleitgens diplomatische Reaktion: „Ihr Brief wundert mich.“ PASCAL BEUCKER
FRANK ÜBERALL
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