Kurz vor der Ernte

Deutschlands Hockey-Frauen wollen bei der WM in Perth zurück in die Weltspitze. Dafür haben sie viel investiert

BERLIN taz ■ „Die Platzierung ist enorm wichtig für die Optimalförderung.“ So jedenfalls sieht es der Sportdirektor. „Wir wollen hier vor allem, dass sich der hohe Aufwand auszahlt“, sagt derweil der Trainer. Und beide Aussagen zusammengenommen deuten allemal darauf hin, dass vor der 10. Hockey-Weltmeisterschaft der Frauen, die am Sonntag im australischen Perth beginnt, bei den Verantwortlichen des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) Nägelkauen angesagt ist. Oder anders ausgedrückt: Es geht um viel, um nicht weniger als die sportliche Reputation. In den letzten beiden Jahren ist die deutsche Frauenauswahl nämlich so ziemlich in der Versenkung verschwunden. Und aus dieser soll sie nun bei der zweitwichtigsten Veranstaltung im Hockeykalender nach den Olympischen Spielen gefälligst wieder auftauchen.

Damit würde sich dann sogar der Kreis schließen. Denn die Misere im deutschen Frauen-Hockey begann just auf dem australischen Kontinent, wenn auch 3.500 Kilometer und zwei Zeitzonen weiter östlich – in Sydney bei den Olympischen Spielen 2000. Lediglich Rang sieben konnte die mit einigen Medaillenhoffnungen gestartete Mannschaft da verbuchen, als Strafe für dieses Versagen durfte sie bei der Champions Trophy der sechs weltbesten Hockeyteams nur zusehen. Von den deutschen Spielerinnen wurde das nicht ganz zu Unrecht als Katastrophe empfunden, in der Vergangenheit hatte man dem erlauchten Kreis stets angehört.

Verstärkt wurde die Talfahrt durch den Umstand, dass acht Akteurinnen nach Olympia ihren Krummstock in die Ecke stellten, darunter Kapitänin Katrin Kauschke, Abwehrchefin Simone Grässer sowie Mittelfeldregisseurin Britta Becker; auch die Zusammenarbeit mit Trainer Berthi Rauth wurde beendet. An seiner statt nahm ein neuer Mann das Ruder in die Hand, der 43-jährige Diplom-Sportlehrer Peter Lemmen. Lemmen setzte nach seinem Amtsantritt verstärkt auf Motivationstraining und Teambildung – und ließ die neue Mannschaft sich beim Drachenbootfahren, auf Radtouren, beim Pfahlklettern und schließlich bei Lehrgängen finden. Außerdem scharte er seinen neu zusammengestellten Kader dauerhaft in Köln zusammen: Die dort beheimateten Spielerinnen brachten ihre Mannschaftskameradinnen bei sich unter, und es konnte so über Monate hinweg jeweils eine halbe Woche gemeinsam trainiert werden.

Lemmen hat einen guten Job getan, das kann man sagen. Und doch lässt sich trotz all der harten Arbeit vor der WM keine wirkliche Standortbestimmung vornehmen. „Da wir keine Turniere gespielt haben, ist es schwer zu sagen, wo unsere Stärke liegt“, sagt Peter Lemmen. Eine Ahnung davon hat der Trainer freilich schon: „Ich denke, sie liegt im Teamgeist, in der Athletik und im Defensivbereich.“ Dort hat er besonders viel mit den Spielerinnen gearbeitet. Stürmerin Heike Lätzsch, 28, die bereits an ihrer vierten WM teilnimmt, kann sich jedenfalls nicht daran erinnern, jemals so intensiv vorbereitet in ein Turnier gegangen zu sein. Für Lemmen freilich bietet selbst dies keine Erfolgsgarantie. „Wir werden erst bei der WM sehen, wo wir wirklich stehen“, gibt er sich vorsichtig.

Immerhin: In der Vorbereitung wurde auch gegen hochkarätige Gegner wie den Olympiazweiten Argentinien oder die holländischen Europameisterinnen durchaus achtbare und knappe Ergebnisse erzielt, sogar der ein oder andere Sieg war darunter. Das wird freilich auch in Perth notwendig sein, schließlich spielen in der deutschen Achtergruppe mit China und Argentinien die derzeitigen Top-Teams mit, nur die beiden Gruppenersten qualifizieren sich fürs Halbfinale. Dessen Erreichen bleibt dennoch das Ziel von Lemmen und den deutschen Frauen. „Bei uns ist die Bandbreite so groß wie bei keinem anderen Team“, sagt der Bundestrainer. Aber auch: „Wenn wir in den ersten Spielen einen guten Start erwischen, kann es gut laufen, im schlimmsten Fall aber können wir auch auf den Plätzen neun bis zwölf landen.“

Das sähe DHB-Sportdirektor Lutz Nordmann gar nicht gerne, denn nur eine gute Platzierung sichert die staatlichen Fördergelder. Außerdem überträgt die ARD von vor Ort, da will man sich nicht blamieren. Dass das Erste überhaupt auf Sendung geht, wird beim DHB freilich als „Super-Entwicklung“ gewertet. „Das hat alles mit unserer Veranstaltungsoffensive und verbesserter Medienarbeit zu tun“, glaubt DHB-Generalsekretärin Uschi Schmitz. Fehlt also nur noch der sportliche Erfolg.

CLAUDIA KLATT