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Fischereipolitik erledigt den Fisch

WWF drängt auf Reform der europäischen Fischereipolitik. Ministerin Renate Künast müsse nächste Woche endlich Farbe bekennen. In der Nordsee gibt’s schon kaum noch Kabeljau. Herbe Einkommensverluste für die Fischer

BERLIN taz ■ „Renate Künast muss den Kampf gegen die Überfischung der Meere zur Chefsache machen“, forderte gestern die Umweltstiftung WWF. Die grüne Agrarministerin „müsse sich endlich persönlich dafür einsetzen“, dass die „seit 20 Jahren verfehlte europäische Fischereipolitik“ reformiert werde, sagte WWF-Fischereiexpertin Heike Vesper.

Am 27. November kommen die für die Fischerei zuständigen Minister der europäischen Mitgliedstaaten zum letzten Mal zusammen, um die Fischereipolitik für die nächsten zehn Jahre zu diskutieren. Im Dezember werden sie dann über die seit längerem geplante Reform abstimmen. Bisher hat Künast an keiner vorbereitenden Sitzung teilgenommen, sich aber in den letzten Tagen sehr wohl für die Reform ausgesprochen.

Künast müsse sich in Brüssel dafür einsetzen, dass „Fischereisubventionen umgelenkt, Fangflotten verkleinert und Erholungspläne für bedrohte Fischarten erstellt werden“, sagte Vesper nun. Die bisherige Politik fördere die Ausbeutung der Bestände – und damit ein ökologisches wie ökonomisches Desaster.

Mit 1,4 Milliarden Euro wurde die europäische Fischerei allein 1999 subventioniert. Das Geld fließt vor allem in die technische Aufrüstung einer stetig wachsenden Fischereiflotte. Mittlerweile fangen die europäischen Fischer auf ihren 100.000 Schiffen jährlich rund 7 Millionen Tonnen Fisch. „Das ist mehr, als jedes Jahr nachwachsen kann“, sagte Vesper. Dazu kommt der Beifang, ungewollt gefangene Fische, die später zumeist über Board gehen. Zudem hinterließen die meist sehr großen Netze einen völlig durchwühlten Meeresgrund.

Die Folge: 60 Prozent der weltweit 200 wirtschaftlich bedeutendsten Fischarten sind bereits überfischt. Darunter auch der Kabeljau in der Nordsee. 30.000 Tonnen gibt es heute noch, so wenig waren es noch nie. Schon vor einigen Jahren hatte der Internationale Rat für Meeresfoschung Ices, der auch die EU berät, geringere Fangquoten für den Kabeljau gefordert, was die Politiker offenbar ignorierten. Es bliebe jetzt nichts anderes übrig, als den Fang von Kabeljau auf unbestimmte Zeit ganz einzustellen, sagt der Ices nun. „Für die deutschen Fischer ist das eine wirtschaftliche Katastrophe“, so Vesper, zumal die Dorschfischerei in der Ostsee ähnlich stark gefährdet sei.

Ralf Döring von der Uni Greifswald hat für den WWF genau berechnet, welche Einnahmensverluste die Fischer jetzt hinnehmen müssen, weil sie jahrelang die Meeresgründe überfischt haben und ihre Netze heute viel leerer bleiben. Er kommt auf 415 Millionen Euro allein für das letzte Jahr. Und so zahle der Steuerzahler die Subventionen und das Arbeitslosengeld.

Bleibt abzuwarten, welches Gewicht Ministerin Künast gegenüber den „Freunden der Überfischung“ – wie Vesper Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien nennt – bei den Verhandlungen haben wird. Aber selbst wenn sich der EU-Fischereirat auf ein Fangverbot für Kabeljau einigt, bleiben die Aussichten am Meeresgrund trübe: Die Wissenschaftler trauen sich schon heute nicht mehr, zu sagen, wann der Nordseefisch sich wieder erholt haben könnte. Dazu sei das gesamte Ökosystem Meer einfach zu sehr aus dem Gleichgewicht. HANNA GERSMANN

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