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Fühlbare Konflikte

Berlin ist eine Stadt der Depressionen und der Kreativität

Eindrücke. Mit einer im einstigen Westdeutschland verbrachten Kindheit im Gepäck und mehrmaligen Besuchen vor und nach dem Mauerfall, sei es privat oder geschäftlich, ist dies nicht meine erste Bekanntschaft mit Berlin. Und doch war es diesmal ganz anders.

Zum ersten Mal die Gelegenheit zu haben, das so rege Kulturleben dieser sich ständig ändernden Stadt mit einer so bunt zusammengewürfelten Gesellschaft aus aller Welt wiederzuerkunden; das war neu. Wir – vorwiegend tätig im Kulturbereich oder Kulturjournalisten aus Polen, China, Bulgarien, Ghana, Jugoslawien, Sri Lanka, Taiwan, Australien, Kamerun, Indien und ich aus der Türkei, alles Stipendiaten eines vom Goethe-Institut veranstalteten Kulturseminars – eroberten mit einem vollen, 14-tägigen Programm die Kulturlandschaft dieser so spannenden Stadt.

War es nun die Begegnung mit den internationalen Kollegen selbst, das alles so anders erscheinen ließ, oder die unerwartete Entdeckung eines Deutschlands, das sich neu zu gestalten und definieren versucht, das ist schwer zu sagen. Dieser immer noch fühlbar vorhandene Konflikt zwischen Ost und West, der Zusammenprall von Geschichte und Gegenwart, der Kontrast vorzugsweise schwarz gekleideter Intellektueller und Künstler zu ihren sehr farbenreichen Werken, der Vorzeige-Wohlstandsstaat in Geldnot, oder das unüberhörbare Gejammer über gekürzte öffentliche Gelder gegenüber einer so unvergleichlich aktiven Alternativ- und Initiativenszene, eine Stadtbevölkerung mit überwiegend Alleinlebenden und doch so reich an Theater- und Kunstveranstaltungen für Kinder?

Eine Stadt der Kreativität, der Depressionen und Hoffnungen; eine Stadt zwischen Vergessen und Erinnerung; eine Stadt der Zukunft.

Die Zeiten der Stabilität und der perfekten Ordnung, die das Land gegen Ende des 20. Jahrhunderts prägten, sind auch hier endgültig vorbei, was Berlin aber noch viel liebens- und lebenswerter macht, eigentlich.

Koza Tamdogan, Istanbul Festival

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