: Flirten mit der Regionalliga
„Wir von der See, ihr von den Bergen“: Überwältigender Empfang für 1000 Hamburger Fans gestern bei Wacker Burghausen. Die Mannschaften einigten sich auf ein freundschaftliches 1:1 – damit bleibt der FC St. Pauli stark abstiegsgefährdet
von OKE GÖTTLICH
„Wir von der See, ihr von den Bergen“ lautete das Motto der knapp 1000 angereisten St. Pauli-Fans. Es muss der Reiz des Exotischen gewesen sein, der sie zu einer 14-stündigen Zugreise an die österreichische Grenze veranlasste. Ein Ausflug, der nicht zuletzt auch aufgrund seiner Wahnwitzigkeit von den Burghausener Gastgebern angemessen gewürdigt wurde. Der Empfang in der 18.000 Einwohner fassenden längsten Burg Europas (1036 Meter) wurde wohl zu der warmherzigsten Angelegenheit, die St. Pauli-Fans jemals erlebt haben.
2000 Burghausener erwarteten die als Matrosen, Nixen oder wahlweise Leuchttürme verkleideten Fans auf einem Bahnsteig, den der Burghausener Bürgermeister Hans Steindl „größer ausgebaut hätte“ wenn er diesen Andrang vorher erahnt hätte. Mit Blaskapelle ging es dann in eine mit Snacks und Bier wartende Turnhalle, was die Fans spontan zu „Bürgermeister, Bürgermeister“-Rufen veranlasste.
Auch in der mit 8500 Zuschauern erstmals ausverkauften Wacker-Arena ging es mit der liebevollen Regionalliga-Atmosphäre weiter. Die sollte es dem Team des FC St. Pauli allerdings nicht leichter machen, sich mit einem gastgeberunfreundlichen Sieg den Nichtabstiegsrängen der zweiten Liga zu nähern. Es wurde sich auf ein freundschaftliches 1:1 geeinigt und St. Pauli bleibt somit in ärgsten Abstiegsnöten und nährt böse Hoffnungen auf weitere Regionalliga-Atmosphäre im kommenden Jahr.
Nach einem „ärgerlichen Tor“ (Hauke Brückner), welches der U21-Nationalspieler Thomas Broich („Ich haue mal ein Brett rein“) in der 59. Minute beinahe von der Grundlinie aus unmöglichem Winkel erzielte, musste St. Pauli erneut einem Rückstand hinterherlaufen. „Es war ein Tor, dass zu unserer Situation passt“, fand St. Paulis Coach Joachim Philipkowski und wollte Keeper Tihomir Bulat, der die Chance durch eine Faustabwehr auch einleitete, keine pauschale Schuld zusprechen.
„Nach dem Tor haben wir auf einmal begonnen, Fußball zu spielen“, erklärte Patschinski, der ebenso unzufrieden mit der Performance in der ersten Halbzeit war. Die ersten 45 Minuten konzentrierte sich St. Pauli auf das Verhindern von Torchancen und machte defensiv einen vernünftigen Eindruck. Der wieder genesene Jens Rasiejewski brachte ein wenig mehr Stetigkeit auf der defensiven Mittelfeldposition.
Was Philipkowski später mit einem „kleinen Schritt“ nach vorne bezeichnen sollte, war, zumindest was die Offensive anging, in der zweiten Hälfte zu sehen. Langsam wurden Kombinationen gezeigt, die zu dem verdienten 1:1-Ausgleich durch den erneut erfreulich aufspielenden Alex Meier nach guter Vorarbeit von Daniel Sager und Ugur Inceman führte. „Wir können mit dem 1:1 zufrieden sein“, befand Philipkowski, nachdem auf beiden Seiten weitere Chancen ausgelassen wurden.
Um der bedrohlichen Gastfreundschaft der Regionalliga Nord allerdings zukünftig zu entgehen, wusste Philipkowski einen Weg: „Gegen Karlsruhe müssen wir nun einen Big Point landen.“ Sonst dürfen sich die St. Pauli-Fans auf herzliche Empfänge der HSV Amateure freuen.
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