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Wachsendes Lippenbekenntnix

Zukunftsrat kritisiert Leitbild „wachsende Stadt“ als einseitig wirtschaftsfixiert: Nachhaltigkeit werde zwar beschworen, aber nicht in konkrete Ziele umgesetzt

Der Zukunftsrat hat dem Senat vorgeworfen, sein Leitbild „wachsende Stadt“ lediglich nominell an den Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten. Zwar sei das letzte Einleitungskapitel der entsprechenden Senatsdrucksache mit „Rahmenbedingung: ‚nachhaltige Entwicklung‘“ übertitelt. In den nachfolgenden 65 Seiten sei davon aber „leider nicht mehr die Rede“, kritisierte Jochen Menzel, der Sprecher des Zukunftsrates. Manfred Braasch vom Umweltverband BUND, einem von mehr als 90 sehr unterschiedlichen Mitgliedern im Zukunftsrat, wurde noch deutlicher: „Aus unserer Sicht ist das Konzept ‚wachsende Stadt‘ nicht zu verantworten.“

Beim zentralen Ziel, die Abwanderung ins Umland durch hohe urbane Lebensqualität zu stoppen, sind sich Senat und Zukunftsrat noch einig. Differenzen gibt es über den Weg, auf dem es zu erreichen wäre. Zwar bekenne sich der Senat zu dem Grundsatz „Flächensanierung vor Neuerschließung“, doch das Senatskonzept lasse völlig offen, wie viele Wohnungen, Büros und Werkhallen auf sanierten Flächen oder durch Verdichtung gebaut werden können. Beschlossen sei dagegen eine Förderung des Einfamilienhausbaus.

„Das grüne Hamburg wird bei ungesteuertem Wachstum sein Gesicht verlieren“, warnte der BUND. In den vergangenen fünf Jahren seien jährlich 140 Hektar, eine Fläche von der Größe des Stadtparks, für Siedlungszwecke verbraucht worden. Hamburg auf zwei Millionen Einwohner wachsen zu lassen, bedeute, eine Stadt wie Kiel zu integrieren: 300.000 neue Einwohner, 150.000 neue Wohnungen, 135.000 Autos mehr.

Für Braasch ist deshalb klar: „Das Ganze muss geplant werden.“ Zu dumm nur, dass das Fachamt Landschaftsplanung in den vergangenen Jahren 30 Prozent seines Personals verloren habe. Verkehrspolitisch sei es bei diesen Aussichten ein strategischer Fehler, für vier Kilometer U-Bahn auf 42 Kilometer Straßenbahn zu verzichten.

Bei der Förderung von Kompetenz-Clustern, mit denen der Senat die Stadt ökonomisch profilieren will, warnt der Zukunftsrat davor, zu sehr auf Logistik und Luftfahrt zu setzen. Die Senatsdrucksache unterschätze deren Risiken für die soziale Entwicklung der betroffenen Stadtteile. Stattdessen regt der Rat Kompetenzzentren für erneuerbare Energien und Klimaschutz an. Nachhaltig wären auch Cluster wie „Tropenkrankheiten und Infektionsbekämpfung“ oder „Gartenbau“, wo Hamburg viel Kompetenz gesammelt habe.

Bei der Ausgestaltung des geplanten Wachstums müssten die Kompetenzen der Hamburger Hochschulen in Sachen nachhaltiger Entwicklung zusammengefasst werden: von der Klimaforschung über das HAW-Projekt „nachhaltige Metallwirtschaft“ bis zur Stadtentwicklung an der TU-Harburg. gernot knödler

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