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„Halbinformierte werden polemisieren“

Lange vor dem Kauf der „Berliner Zeitung“ formulierte Holtzbrinck seine ganz persönlichen Synergievisionen

Wie sich Holtzbrinck jenseits aller Kartellauflagen und eigener Samstagsreden seine Medienzukunft in Idealform vorstellt, formulierte Vorstand Michael Grabner 1998 bei einer Veranstaltung der Freien Universität Berlin:

„Die Kostenstrukturen in der Zeitungsherstellung haben sich in den letzten Jahren drastisch verschoben, und die Geschwindigkeit des Strukturwandels nimmt weiter zu. Wir stecken in der Medienindustrie mitten in der großen, dritten Rationalisierungswelle. In der ersten Welle waren die schwere Technik, der Druck und die Weiterverarbeitung betroffen. In der zweiten Welle wurden dank der Computertechnik die Setzer und Monteure durch Gestalter am Computer ersetzt. In Relation zu allen anderen Kostenfaktoren sind damit die Kosten der Redaktion – also der gesamten kreativen Leistungserstellung – im Anstieg begriffen. (…)

In der dritten Rationalisierungswelle wird es deshalb darauf ankommen, Produktivitätssteigerungen in der Phase und im Prozess der kreativen Leistungserstellung zu erzielen. Da wir aber den Aufwand nicht senken wollen (und können), weil für Qualität eben ein hoher Mitteileinsatz nötig ist – muss der Output verändert werden. Nur so ist eine Produktivitätssteigerung möglich. Dies soll aber nicht durch mehr oder längere publizistische Einheiten – ‚Stücke‘ – erreicht werden, sondern dadurch, dass hochwertige und kreative publizistische Leistungen in einer ‚Verwertungskette‘ mehrfach verwertet werden. Dies wird – speziell im deutschsprachigen Raum – auf ganz große Widerstände stoßen. Journalisten und Gewerkschaften werden dagegen sein, Halbinformierte werden dagegen polemisieren, veraltete Gesetze und neu auf uns zukommende, wirre EU-Bestimmungen werden uns das Leben erschweren. Aber nach den Gesetzen der Logik führt kein Weg daran vorbei.“ STG

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