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Sonderopfer Schröder

Hamburgs Steuereinnahmen sinken so weit, dass im kommenden Jahr sogar der Stand des vorigen Jahrtausends erreicht werden soll. Schuld sei die Bundesregierung, finden Bürgermeister und Finanzsenator. Verkauf der Wasserwerke im Gespräch

von SVEN-MICHAEL VEIT

Um große, viele und farbenprächtige Worte ist Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) nie verlegen. Und schon gar nicht, wenn er die Chance wittert, der rot-grünen Bundesregierung eins auszuwischen, deren „verfehlte“ Steuerpolitik zu geißeln und gar Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) höchstselbst der Misswirtschaft zu zeihen. Dann malt Ole von Beust schwarz. So wie gestern.

Die Steuereinnahmen Hamburgs würden in einem Ausmaß zurückgehen, das „so dramatisch ist wie nie zuvor“, klagte der Regierungschef gestern vor der Landespressekonferenz im Rathaus. Nach der aktuellen Prognose des bundesweiten „Arbeitskreises Steuerschätzung“ werden Hamburg allein in diesem Jahr weitere 260 Millionen Euro fehlen. Bereits bei der Steuerschätzung im Mai fehlten 400 Millionen Euro (siehe Kasten).

Das seien „gigantische Summen“, sagt von Beust, auf die Hamburg im laufenden Etat verzichten müsse. Allein seit Mai vorigen Jahres hätten sich somit zehn Prozent eines Jahreshaushalts der Stadt „in Luft aufgelöst“, und diese Luft bräuchte Hamburg „dringend zum Atmen“. Das pekuniäre Wasser, auch diese Metapher darf nicht fehlen, stehe der Stadt bis zum Hals.

Und von Beust lässt keinen Zweifel daran, wessen Schuld das alles sei: „Die katastrophale wirtschaftliche Lage und die falsche Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung haben die Steuereinnahmen wegbrechen lassen.“ Für viele Bundesländer, auch Hamburg, sei „die Grenze der Belastbarkeit erreicht oder schon überschritten“. Und es drohe noch schlimmer zu werden. Denn für das nächste Jahr sagen die Steuerschätzer, ein Expertengremium im Bundesfinanzministerium, für die Hansestadt einen Verlust von weiteren 226 Millionen Euro voraus.

„Die Lage“, sagt der Bürgermeister deshalb, sei mehr als ernst. In 2003 würden die Einnahmen voraussichtlich real unter denen des Jahres 2000 liegen: „Dies ist ein Zustand, der noch nie dagewesen ist in der Geschichte der Bundesrepublik.“ Und deshalb seien drei Maßnahmen erforderlich. Zum einen eine „Allianz der Vernunft und des Sparens“. Die Gewerkschaften sollten sich in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst auf „eine Nullrunde“ einlassen, fordert von Beust. „Alles andere wird einen Personalabbau nach sich ziehen.“

Und zweitens, erläutert Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), müsse Hamburg ein „Sonderopfer Schröder“ erbringen. Die Mindereinnahmen dieses und des kommenden Jahres würden im Haushaltsplan gesondert ausgewiesen und über zusätzliche Kredite in gleicher Höhe gegenfinanziert. Auch die Tilgung dieser Schulden würde entsprechend gesondert ausgewiesen. So könne jederzeit in „Euro und Cent“ vorgerechnet werden, wieviel die Politik der Bundesregierung Hamburg koste.

Und drittens müsse Hamburg städtische Unternehmen oder Anteile daran schneller und in höherem Umfang als gedacht veräußern, um „zusätzliche zukunftsweisende Investitionen“ zu ermöglichen. Welches „Vermögen mobilisiert“ werden soll, darüber allerdings schwiegen von Beust und Peiner: „Sonst reden wir die Preise kaputt.“

Zum Beispiel den Preis für die Hamburger Wasserwerke (HWW), deren Verkauf der Senat bislang immer bestritten hat. Nach taz-Informationen herrschen inzwischen aber rege Kontakte mit dem Energieriesen e.on, der an den HWW interessiert ist. Im Gespräch ist eine neu zu gründende Nordwasser AG, in der e.on die HWW, weitere Beteiligungen an norddeutschen Kommunalversorgern sowie die Konzerntochter Gelsenwasser zu bündeln gedenkt.

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