: „Hier wird gebrandschatzt und gemordet“
Guillaume Soro, Führer der MPCI-Rebellen der Elfenbeinküste, über seine Rebellion und über die Politik der Regierung
taz: Als Sie noch Studentenführer waren, war der heutige Präsident Laurent Gbagbo wie ein Mentor für Sie. Ist es dieses ehemalige persönliche Verhältnis, das Sie nun zu erbitterten Feinden macht?
Soro: Der Kampf gilt nicht Gbagbo allein, sondern dem politischem System in der Elfenbeinküste. Ich will die damalige Zeit mit Gbagbo gar nicht abstreiten. Ich habe ihn früher sehr geschätzt und ich denke, dasselbe empfand er auch für mich. Aber angesichts dessen, was jetzt in unserem Land geschieht, bin ich umso mehr enttäuscht. Als Präsident hätte Gbagbo viel mehr machen können als damals, wo er nur seine charismatische Persönlichkeit einsetzen konnte. Aber unter seiner Herrschaft gibt es mehr Zwietracht in der Gesellschaft denn je: Massengräber, Standgerichte, Machtmissbrauch, Fremdenfeindlichkeit. Das erstaunt und beunruhigt mich. Nur ein Beispiel: Als wir noch zusammen in der Opposition waren, sprach er von der Notwendigkeit eines Semi-Präsidialregimes für die Elfenbeinküste, denn ein reines Präsidialregime berge Ursprünge einer Diktatur. Und was müssen wir jetzt mit ansehen? Derselbe Gbagbo stützt sich auf ein starkes Präsidialregime.
Dann nimmt Laurent Gbagbo die These von der „Ivoirité“ (die Doktrin, wonach nur Abkömmlinge der ursprünglich aus dem Gebiet der Elfenbeinküste stammenden Ethnien volle Bürgerrechte genießen sollten – d. Red.) in den Mund – und die Menschen sind sofort gespalten. Mit einer krankhaften Genauigkeit wird in diesem Land bedroht, marschiert, gebrandschatzt und gemordet – in einer Manier wie in Nazideutschland. Erst vor kurzem begann Präsident Gbagbo überhaupt, die Vorschläge des Versöhnungsforums von 2001 umzusetzen, auf dem alle Politiker gemeinsam Verfassungsreformen gefordert hatten. Erst jetzt – nach einem Jahr.
Ist es nicht wichtiger, dass er damit überhaupt begann?
Gbagbo hat größte Schwierigkeiten mit der Umsetzung der Vorschläge des Forums. Ganz einfach, weil sie ihm aufgedrückt wurden. Eines lag dem Versöhnungsforum am Herzen: die nochmalige Durchsicht der Verfassung, vor allem bezüglich der „Ivoirité“. Aber Gbagbo nahm dieses Votum so, als ob es reichte, den Verfassungstext einfach nur noch mal durchzulesen. Wenn man meint, Problemen mit List beizukommen, oder sie einfach nur unter den Teppich kehren will, dann bedeutet das, direkt in die Krise zu steuern.
Wie wollen Sie nun Ihren Mitbürgern das Heil bringen?
Wir alle sind Bürger der Elfenbeinküste. Und wir müssen mit ansehen, wie zum Beispiel unsere Medien instrumentalisiert werden. Das Staatsfernsehen ist zum zweiten „Mille Collines“ geworden (der Radiosender, der 1994 in Ruanda zum Völkermord aufrief – d. Red.), einzig mit dem Zweck, Hass und Mord zu stiften. Unser Ziel ist es, die Elfenbeinküste wieder zurück auf den Pfad der Demokratie zu bringen. Die Verfassung ist nicht nur irgendein Text, sondern das, was die Elfenbeinküste zusammenhält. Heute haben wir die diskriminierende Idee der „Ivoirité“ als Gesetz, es gibt jetzt „wahre“ Ivorer und „falsche“. Was passiert mit den Millionen, die damit ihre Staatsangehörigkeit in Frage gestellt sehen? Zum Beispiel, wenn sie aufs Amt müssen, Einschränkungen beim Wahlrecht in Kauf nehmen müssen?
Ihre Gegner werfen Ihnen den gleichen Tribalismus vor wie Sie der Regierung.
Wir haben keine Rachegefühle gegenüber irgend jemandem. Wir machen keine gemeinsame Sache mit solchen, die Politik für sich missbrauchen. Das bewiesen wir, als wir die Stadt Daloa einnahmen. Haben Sie von unabhängigen Quellen vom gewaltsamen Tod auch nur eines Mitglieds der Regierungspartei gehört? Oder dem Tod eines Angehörigen der Volksgruppe des Präsidenten? Aber als die Regierungstruppen Daloa wieder eroberten, waren es Gendarmen, die selbst in Moscheen jeden Angehörigen der Dioula-Volksgruppe lynchten. So machen wir das nicht. Wir wollen zeigen, dass wir verantwortungsvoll regieren können. Die Elfenbeinküste steht am Scheideweg. In zwei Jahren Gbagbo musste mehr Blut fließen als in 40 Jahren Houphouet-Boigny. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen – wohl wissend, dass jeder Krieg auch Opfer unter Unschuldigen fordert. Aber sollen wir denn daran glauben, einer nach dem anderen wie die Hühner? Wir nehmen uns das Recht, uns zu verteidigen.
Sind die Friedensgespräche in Lomé also nur Show?
Wir haben die Gespräche immer ernst genommen. Wir haben hochrangige Vertreter geschickt, nicht zweitrangige Entscheider wie die Regierung. Und wir sind immer noch in Lomé. Nur warten wir nach wie vor auf Bereitschaft vom Regime, ernsthaft über Inhaltliches zu reden.
INTERVIEW: HAKEEM JIMO, LOMÉ
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