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Fighter mit Gefühl

Mehr Medienkompetenz für Politiker und Journalisten! Neue Studien über den Zusammenhang zwischen Computerspielen und Jugendgewalt

Immer sind es die Jugendmedien, die mit Misstrauen betrachtet werden

von TILMAN BAUMGÄRTEL

„Hassindustrie“ lautete der Kampfbegriff. Nach dem Amoklauf von Erfurt erschienen schnell Artikel in FAZ, Bild, Spiegel und Focus, die neben Horrorvideos und Rockbands auch Computerspiele für Robert Steinhäusers Gewalttat verantwortlich machten. Ein halbes Jahr später treiben diese Printerzeugnisse andere Themen um. Dafür hat das Online-Magazin Telepolis nun den kleinen Band „Virtuelle Welten, reale Gewalt“ veröffentlicht; er beschäftigt sich auch mit Computerspielen und deren Wirkung auf Kinder und Jugendliche – allerdings ohne die Neigung zu vorschnellen Urteilen.

In einer ganzen Reihe der in dem Sammelband enthaltenen Texte wird etwa auf eine simple, aber oft vergessene Tatsache hingewiesen: Die Forschung zu diesem Thema steht noch ganz am Anfang und hat bisher keine wirklichen Einsichten in diese komplexen Zusammenhänge bringen können. Weder die von einigen Psychologen vertretene Habitualisierungsthese (Computerspiele gewöhnen Kinder an Gewalt) noch die Katharsisthese (Computerspiele erlauben es, Aggressionen auf friedliche Weise abzureagieren) wurden bisher stichhaltig durch Untersuchungen belegt. Ähnliches gilt übrigens auch für die Forschung, die in den 60er-Jahren zu Comics, in den 70er-Jahren zu Trickfilmen oder in den 80er-Jahren zu Horrorvideos stattfand.

Dabei ist es interessant zu erfahren, wie die einschlägigen Experimente eigentlich durchgeführt werden. In dem „Handbuch Medien: Computerspiele“, die die Bundeszentrale für politische Bildung kürzlich herausgab, beschreiben die Psychologen Rita Steckl und Clemens Trudewind einen einschlägigen Test: Kinder dürfen 20 Minuten mit dem Prügelspiel „Street Fighter II“ spielen. Dann werden ihnen Dias gezeigt, auf denen „Menschen und Tiere in bedrückenden Situationen zu sehen sind“.

Um was für „bedrückende Situationen“ es sich dabei handelt, erfährt man nicht. Es scheint sich um recht grausige Szenen zu handeln: Auf Fotos sind Kinder zu sehen, die sich entsetzt die Augen zuhalten oder in Tränen ausbrechen. Aus diesen Bildern sowie aus der Herzfrequenz und der Hautleitfähigkeit schließen die Psychologen – wie bei einem Labortier – auf die Mitleidsfähigkeit der getesteten Kinder. Das Ergebnis: „Ein Vergleich der Kinder, die mit dem Street-Fighter-Spiel gespielt hatten, mit den Kindern, denen das (Geduldsspiel) Joshi vorgegeben worden war, zeigte, dass die erste Gruppe im Mittel weniger Anzeichen einer emotionalen Beteiligung zeigte als die Joshi-Gruppe.“

Doch was beweist diese Versuchsanordnung eigentlich? Wer schon mal ein „Jump and Run“-Spiel wie „Street Fighter“ gespielt hat, weiß, was für einen Stress so ein Game auslöst, weil es schnelle Reaktionen und große Konzentration verlangt. Dass die Kinder auf die Dias nicht so stark reagieren, könnte also auch an einfacher Erschöpfung liegen.

Zudem ist in den Debatten über den schädlichen Einfluss von Comics, Horrorvideos oder Computerspielen auffällig, dass es immer Jugendmedien sind, die von der erwachsenen Welt mit Misstrauen betrachtet werden. Vielleicht ist es ja schlicht mangelnde Erfahrung mit diesen neuen Medien, die zu schnellen Forderungen nach Verboten führt. Wenn Politiker und Journalisten immer mal wieder die Vermittlung von mehr Medienkompetenz fordern, sollten sie wohl bei sich selbst anfangen: Aus eigener Erfahrung kennen Computerspiele nur die wenigsten. Auch wer nach neuen Gesetzen ruft, zeigt weniger politisches Verantwortungsbewusstsein als vielmehr mangelnde Sachkenntnis: Schon jetzt gehört Deutschland in diesem Bereich weltweit zu den Ländern mit den schärfsten Bestimmungen.

Überhaupt ist die Behauptung, Computerspiele seien per se für die „zunehmende Aggressivität und Brutalität“ unter Kindern und Jugendlichen verantwortlich, so nicht aufrechtzuerhalten.

Erstens ist es zweifelhaft, ob es eine solche Brutalisierung tatsächlich gibt – die Jugendkriminalitätsstatistik ist seit Jahren rückläufig. Zweitens ist nur ein Teil der Computerspiele als gewalttätig zu bezeichnen. In den aktuellen Spiele-Charts sind harmlose Geschicklichkeits-, Sport- und Rollenspiele wie „Super Mario“, „Final Fantasy“, „Harry Potter“, „Lilo & Stich“ und „Fifa Football“ in der Mehrheit.

Florian Rötzer weist in seiner Einleitung zu „Virtuelle Welten – reale Gewalt“ darauf hin, dass die derzeitige Diskussion über Computerspiele eine lange Vorgeschichte hat. Schon in der Antike forderte Platon eine Regulierung von „Medieninhalten“: „Neben der Musik, der Dichtkunst oder den Märchen, die man Kindern erzählt, erschienen auch die damals neuen visuellen Medien, vornehmlich die Malerei und das Theater, dem Philosophen für die leichtgläubigen Bürger gefährlich … Was die Menschen sehen und hören, so die Annahme, präge sich in ihre Seele ein und wird von ihnen auf die eine oder andere Weise nachgeahmt.“

Eigentlich hat sich seit damals nicht viel geändert. Die philosophische Kritik hat freilich den Siegeszug von Malerei und Theater nicht aufhalten können. Rötzer: „Schon damals hat diese Kritik der Kultur- und Hassindustrie die Menschen offenbar nicht sonderlich überzeugt.“

Florian Rötzer (Hg.): „Virtuelle Welten – reale Gewalt“. Heise Verlag,192 S., 16 €ĽJürgen Fritz und Wolfgang Fehr (Hg.): „Handbuch Medien: Computerspiele“. 366 S., erhältlich bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

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