: Verdrängung forciert
Metropolis-Reihe widmet sich bereits zum zweiten Mal Hintergründen der Re-education und präsentiert teils lange verschollenes Filmmaterial
von ANDREAS BLECHSCHMIDT
Anlässlich des zweiten Seminars zur Re-education nach 1945 der Kinemathek Hamburg e. V., des Metropolis-Kinos und der Landeszentrale für politische Bildung zeigt das Metropolis ab heute eine Reihe zum Thema der politischen Bildung mit dem Medium des Films.
Als im Mai 1945 die Alliierten die bedingungslose Kapitulation Deutschlands erzwangen, war der Krieg mit der Waffe gewonnen. Doch dem militärischen Sieg sollte ein Krieg um die Köpfe folgen, der unter den Vorzeichen des Kalten Krieges zum Kampf um die – wie es die Amerikaner formulierten – „logischen Verbündeten von morgen“ wurde.
Dabei waren die Anfänge des Versuchs der Westalliierten, durch ein (Um-)Erziehungsprogramm die deutsche Öffentlichkeit zu demokratisieren, von ungleichzeitigen Einschätzungen geprägt. Die amerikanische Journalistin Martha Gellhorn notierte noch im April 1945, dass ein Volk, das sich vor der Verantwortung drücke, kein erbaulicher Anblick sei. Sie argwöhnte nicht zu Unrecht, dass die Mehrheit der Deutschen den alliierten Sieg über den Faschismus vor allem als Niederlage begriff.
Doch schon im Sommer 1945 setzten sich jene durch, die die deutschen Zuschauer nicht allzu drastisch mit den Verbrechen konfrontieren wollten. Ein Paradigma der unterschiedlichen politischen Interessen im Rahmen der Re-education in den Westzonen stellt der amerikanische Film Die Todesmühlen dar. Im Sommer 1945 wurden Billy Wilder und Hans Burger mit der Produktion eines Aufklärungsfilms über die deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslager beauftragt. Hans Burger wollte die dokumentarischen Teile des Films mit einer fiktionalen Rahmenhandlung koppeln und so die politischen Hintergründe der Ereignisse in Deutschland zwischen 1933 und 1945 kritisch beleuchten. Burger, 1909 in Prag geboren, in Deutschland aufgewachsen, arbeitete als Dramaturg und Regisseur. 1938 produzierte er den Film Crisis über den Angriff Deutschlands auf die tschechische Republik.
Beim Film Die Todesmühlen konnte er sich mit seinem politischen Ansatz nicht durchsetzen. Letztlich wurde der Film unter der Verantwortung Billy Wilders im November 1945 fertig gestellt, ohne dass über die politischen Hintergründe der Geschichte der Vernichtungslager etwas zu erfahren gewesen wäre.
Mit dieser Entscheidung deutete sich an, dass das Programm der Re-education weniger an der Aufarbeitung der Vergangenheit interessiert war, sondern das deutsche Publikum darin bestärkte, sich der Zukunft zuzuwenden. Davon zeugen zahlreiche Beiträge, die im Rahmen von Wochenschauen, die das Leben in Amerika als Beispiel eines demokratischen und vorbildlichen Gemeinwesens thematisierten.
Welch hohen Stellenwert die amerikanischen Offiziellen dieser politischen Bildungsarbeit beimaßen, lässt sich daraus ablesen, dass die Behörden über 1700 Projektoren nach Deutschland brachten, um die Filme zeigen zu können. Nachdem in den ersten Filmen der Re-education die Verbrechen des deutschen Faschismus thematisiert wurden, fielen die Opfer der Verbrechen sehr bald aus der Perspektive heraus.
Die Vorträge und Einführungen der Metropolis-Reihe werden in diesem Zusammenhang Anregungen für die Beantwortung der Frage liefern, ob die Re-education den Wunsch nach Verdrängung der Verbrechen in Deutschland nicht ungewollt befördert hat.
Crisis (Einführung: Jochen Wolf): 5.12., 17 Uhr. Spurensuche zu Hans H. Burgers Die Todesmühlen: 5.12., 19 Uhr. Drei Fassungen von Die Todesmühlen: 5.12., 21.15 Uhr. Kurzfilme von Hans Burger in den USA: 6.12., 17 Uhr. Kurzfilme zum Thema „Jede Frau kann zaubern! Durch Umerziehung zum Wohlstand“: 6.12., 19 Uhr. Kurzfilme zum Thema „Zukunft? Europa!“: 6.12., 21.15 Uhr. „Großbritannien berichtet aus Deutschland“ (Einführung: Thomas Tode): 7.12., 17 Uhr. arte-Themenabend: „Wie werde ich Demokrat?“: 7.12., 19 Uhr. - Les Camps de la Mort: 8.12., 17 Uhr. Paragraph 175: 8.12., 19 Uhr. Verboten: 8.12., 21.15 Uhr. Infos unter www.metropoliskino.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen