Hoffnung für Hortensienbesitzer

Ein Hinweis aus der Bevölkerung erklärt die mysteriösen Blumendiebstähle

Weshalb sollten Kaninchen jetzt, wo es noch genug Futter für sie gibt, wie die Wilden über Hortensien herfallen?

RENDSBURG/BERLIN (ap/taz) ■ Unbekannte plündern seit Tagen Hortensiensträucher in Schleswig-Holstein – wir berichteten. Fast das ganze Land ist inzwischen betroffen. Handelt es sich um eine Bande, eine Hortensien- Mafia, um simple Verbissschäden oder um eine von den Medien geschürte Aufregung?

Mutmaßungen und Theorien beschäftigen zurzeit Polizei, Gartenfachleute und Biologen. Die Sträucher mit den großen Dolden zählen seit vielen Jahren zu den begehrten und bewunderten Pflanzen im Garten. Doch auf der Diebstahls- oder Zerstörungsliste standen sie noch nie. Jetzt erreichen die Polizeistellen zwischen der Insel Fehmarn und Nordfriesland täglich Anzeigen, weil entweder die grünen Triebe im Mittelpunkt der Pflanze fehlen oder die Reste der Doldenblüten abgeschnitten wurden. Zum Teil sollen ganze Zweige fehlen. Die Tatorte sind so zahlreich, „dass das keine Bande schaffen kann“, sagt der Sprecher der Rendsburger Polizei, Dirk Voß. Zum Teil hätten die Pflanzen in Gärten gestanden, die von außen nicht einsehbar sind. In einigen Gärten gab es Fußspuren, in anderen nicht.

Die Vermutung, dass die Triebe in Gewächshäusern zu neuen Pflanzen herangezogen werden sollen, weist der Zierpflanzenexperte der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holsein, Carsten Bock, zurück. Zum einen seien Hortensien nicht so teuer, dass sich das Selbstziehen lohne, zum anderen wisse der Dieb gar nicht, was er da klaue. „Da muss man eigentlich im Sommer schon gucken, welche Farben die Pflanze hat, jetzt bringt das doch gar nichts mehr.“

Hauptverdächtige in dem mysteriösen Fall sind inzwischen possierliche Nager: die Kaninchen. Das Flensburger Tageblatt zitierte den Gärtnermeister Hermann Tiedt aus Itzehoe, für den der Fall eindeutig liegt. „Kaninchen hinterlassen eine Nagefläche, die exakt einem fachmännisch schräg angesetzten Messerschnitt entspricht.“ Dies hätten früher alle Gartenbesitzer gewusst, heute offensichtlich nicht mehr, meint Tiedt. Dem widerspricht Bock. Weshalb sollten Kaninchen ganze Zweige mitnehmen? Und weshalb sollten sie jetzt, wo es doch noch genügend Futter gibt, wie die Wilden über Hortensien herfallen?

Die Polizei widmet sich bei ihren Ermittlungen jetzt verstärkt der Nagetiertheorie. Wenn die Kaninchen die Täter sind, dann hätten die Dienststellen in Windeseile eine Menge Anzeigen vom Tisch. Eine Erklärung, warum dieses Phänomen erst jetzt bekannt geworden ist, hat Bock auch. Die Medien hätten Schuld. In Aukrug (Kreis Rendsburg-Eckernförde) habe es im Kreis den ersten Hortensienfall gegeben. Die örtliche Polizei habe darüber in einer Pressemitteilung informiert. Diese wurde abgedruckt, die überörtlichen Medien hätten das Thema aufgegriffen – erst daraufhin sei die Zahl der Anzeigen explodiert.

Wieder einmal die bösen, bösen Medien? Die Wahrheit weist diesen Vorwurf entschieden zurück; mehr noch, sie wird nunmehr an dieser Stelle zur Aufklärung der Hortensienangelegenheit beitragen. Folgendes nämlich trug sich gestern in der Kochstraße zu: Eine Anruferin, nennen wir sie Frau Wagner, meldete sich in der Wahrheit-Redaktion, um einen „Hinweis aus der Bevölkerung“ zu geben. Hortensien, erinnerte die im Rheingau einsam aufgewachsene Protestantin, seien doch auch als „Kommunionsblumen“ bekannt. In ihrem Heimatort habe es jedenfalls anlässlich von Kommunionsfeierlichkeiten stets Hortensien geregnet – nur nicht auf die arme Frau Wagner, die sich ihrer Ausgrenzung schmerzlich bewusst wurde. Heute besitze sie zwar „einen riesigen Garten voller Hortensien“, eines sei aber doch wohl sonnenklar: „Hinter dem Blumenklau steckt eine protestantische Bewegung.“

Bzw. eine protestantische Protestbewegung. Keine Bande, da hat Polizeisprecher Voß Recht, sondern Menschen, die ihr ganzes Leben darunter gelitten haben, als Kind niemals mit Hortensien bedacht worden zu sein, und die sich höchstwahrscheinlich im Internet austauschen. Und die nun glücklich vor ihren gemopsten Hortensientrieben sitzen. In der Folge werden daher schon bald Ruhe und Frieden in schleswig-holsteinischen Gärten einkehren – Kommunionsblumen gibt es nur einmal im Leben. Polizei, Gartenfachleute, Biologen: Der Fall ist quasi gelöst. Linksrheinisch, rund um die Grafschaft Moers, raten wir zu erhöhter Wachsamkeit.