: „Kultureller Frevel“
Grimme-Chef Bernd Gäbler über die Zukunft der Medienberichterstattung und das Ende der „FK“
Am Dienstagabend wurde die „Funkkorrespondenz“ (FK) vom Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Instituts mit dem Bernd-Donnepp-Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet. Ein Sonderpreis ging an Volker Lilienthal vom Fachdienst „epd medien“ für seine Forschung zur Rolle des Evangelischen Pressedienstes im Dritten Reich. Weil die Amtskirche sparen will und das Katholische Institut für Medieninformation (KIM) zum Jahresende dicht macht, stehen die „FK“ wie die ebenfalls im KIM erscheinende älteste Filmzeitschrift der BRD, der „Filmdienst“, pünktlich zu ihrem 50. Geburtstag vor dem Aus.
taz: KIM-Chef Richard Ohrt spricht von „Ironie des Schicksals“ – die Funkkorrespondenz wird mit dem Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet, und dazu läutet das Sterbeglöckchen spätestens im Juni 2003. Was ginge mit der FK verloren?
Bernd Gäbler: Natürlich handelt es sich nicht um eine „Ironie des Schicksals“, sondern um den politischen Willen katholischer Gremien, Schicksal zu spielen. Wieder wird etwas „Ausgezeichnetes“ fallen gelassen. In einer Zeit, in der fast jeder „Opus Dei“-Held heilig gesprochen wird, weigert sich die Katholische Kirche, ein paar Taler aus der Portokasse locker zu machen für einen über die Grenzen ihrer eigenen Institution weisenden Journalismus. Mit der angesehenen Zeitschrift Filmdienst und dem Medienfachdienst Funkkorrespondenz ist eine Publizistik entstanden, die – geboren aus katholischer Wertorientierung – in der durch und durch säkularen Medienwelt von Film und Fernsehen wirksam ist. Das wird nun leichtfertig preisgegeben. Um es mit dem gebotenen christlichen Furor zu sagen: Ich halte das für Kulturfrevel.
Auch in Tages- und Wochenzeitungen, selbst in Wirtschaftstiteln wie der Wirtschaftswoche wird die Medienberichterstattung eingedampft. Brauchen wir demnächst also auch keinen Donnepp-Preis mehr?
Im Gegenteil: Der Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik gewinnt an Bedeutung, weil er unabhängig von Konjunkturen ist. In der Krise wird naturgemäß der Raum für Kritik und Unabhängigkeit enger. Beides aber zeichnet dieser Medienpublizistik-Preis aus. Er kann zwar niemanden retten, wirkt aber wie eine Instanz, auf die man sich berufen kann.
Reicht die bisherige Medienberichterstattung denn aus?
In der Vergangenheit gab es Übertreibungen: Mal wirkte die Medienberichterstattung allein wie eine Unterabteilung der Wirtschaftsseiten, mal war sie das schönste und reinste Feuilleton der Edelfedern. Ich glaube, die Mischung macht’s. Beides – Ökonomie und Inhalte – müssen eine Rolle spielen. Sorge bereitet mir aber, dass viele Artikel reine Ankündigungen, ja oft sogar nur noch werbliche Begleitung von Film- und TV-Ereignissen sind. Die gute alte Rezensionskultur, für die auch Filmdienst und Funkkorrespondenz stehen, droht vor die Hunde zu gehen. Als Orientierungshilfe im Mediendschungel ist sie aber nicht zu ersetzen.
Nun lassen Werbekrise und die angestrebte Neuordnung der Zeitungslandschaft bei vielen Verlagen die Luft auf kritische Medienberichterstattung vergehen. Muss das kompensiert werden – und wer kann und soll das tun?
Bis zu einem bestimmten Grade halte ich es sogar für verständlich, wenn nicht mehr alle Glasperlenspiele finanziert werden können, aber dennoch müssen wir natürlich eine kritische Medienberichterstattung verteidigen – nicht durch Stillhalteabkommen oder Qualitätspakte, sondern durch Ideenreichtum und weniger „Journalisten schreiben für Journalisten“.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
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