: Ein Unternehmer hat Kultur
Der Mittelstand entdeckt das Kultursponsoring. Imagepflege, Kundenansprache und ein gutes Gewissen sind der Lohn. Ein Beispiel ist das Museum Franz Gertsch im Schweizer Kanton Bern
von GISELA SONNENBURG
Die zeitgenössische Kunst ist nicht immer so brotlos, wie das Sprichwort es will. Der Künstler Franz Gertsch etwa hat gut lachen: Jüngst wurde ihm zu Ehren ein ganzes Museum erbaut – in Absprache mit ihm und nur, um sein Hauptwerk, das aus hyperrealistischen Porträts und symbolistischen Naturmotiven besteht, zur Geltung zu bringen.
Zu danken hat Gertsch einem Schweizer Mäzen: Willy Michel, 55, gründete vor 18 Jahren mit seinem Bruder eine Firma. Deren Pharmaverpackungen erzielen Jahresumsätze von rund 320 Millionen Franken. Einige Jahre überlegte Michel, wie er seine Neigung zur Kunst unter Einsatz seines Geldes dokumentieren könnte. Bei einer Ausstellung des von New York über die Biennalen von Venedig bis Korea bekannten Gertsch funkte es dann heftig: „Das gab den Ausschlag, und ich unternahm einen Atelierbesuch bei Franz Gertsch“, sagt Michel heute, so glücklich wie stolz auf seine Museumsidee. Alles weitere, so der Unternehmer, habe sich in Gesprächen ergeben. Der Zufall, dass Gertsch wie Michel aus dem Kanton Bern stammt, war der Sache nicht eben abträglich: Lokalpatriotismus kann Millionen wert sein.
Das Experiment gelang. Seit Ende Oktober bestaunen bis zu 50 Besucher stündlich den einen Park umschließenden, extravaganten Bau der Architekten Jörg + Sturm in Burgdorf bei Bern. Gertschs Gemälde, die mitunter bis über sechs Meter breit sind, dabei aber meist einen nahezu mikroskopischen Blick aufs Detail pflegen, werden alle paar Monate wechseln: damit ein Wiederkommen lohnt. Finanziert wird die Präsentation auf 1.000 Quadratmetern, ohne dass ein Rappen staatlicher Subvention fließt: Ein raffiniertes Förderungsklub-System sowie eine Galerie mit Werken von Newcomern sollen den Unterhalt des Museums decken. „Unsere Sponsoren und die Käufer haben die Sicherheit, dass der Erlös zu hundert Prozent der Kunst zufließt“, freut sich Michel.
Europaweit gilt dieses Projekt bislang als einmalig – aber es ist typisch für den Wunsch des Establishments, sich mit Kultur zu schmücken. In Deutschland entdeckt gerade der Mittelstand Sinn und Zweck des Sponsorings. Das belegt die aktuelle Studie „Corporate Citizenship: Das Unternehmen als ‚guter Bürger‘ “ des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn. 4.000 Unternehmen wurden befragt. Heraus kam, dass vier von fünf Unternehmen sich als wohltätig bezeichnen; gleich nach sozialen Anliegen rangieren bei ihnen Kultur und Bildung.
Allerdings geben die Statistiker zu, dass sie hochrechneten – und Überprüfungen der Bilanzen stehen sowieso aus. Nur ein Viertel der Befragten spendet denn auch Geld, Sachmittel und Dienstleistungen in vertragsgebunden Rahmen: Im engen Sinn können nur sie als zuverlässige, kontinuierliche Partner für Kultur gelten. Dennoch: Imagepflege und das Zeigen gesellschaftlicher Verantwortung sind schwer im Kommen, zumal die Kosten für Kultur, wenn auch in Grenzen, steuerlich absetzbar sind.
Gemessen am jeweiligen Umsatz engagiert sich der deutsche Mittelstand neuerdings sogar stärker als die Konzerne, Deutschland holt also auf. Und mancher Finanzier verzichtet sogar – nobel, nobel – darauf, seinen Namen in aufdringlich großen Buchstaben auf die Plakate zu setzen: Diskretes Auftreten ist en vogue.
Dass die Gelder für Kultur aber so oder so nicht nur karitatives, sondern auch werbeträchtiges Investment sind, belegen die „Ergebnisse zum Kultursponsoring in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen“, die das Münchner Uni-Institut für Unternehmensentwicklung und Organisation vorlegt. Demnach haben Kulturinteressenten, die den Sponsor wahrnehmen, ihm gegenüber „signifikant bessere Einstellungswerte“. Vulgo: Sie bekommen bei Kulturerlebnissen viel eher den bestmöglichen Eindruck von einer Firma, als wenn sie sich durch deren Werbung genervt fühlen. Auch hohe Streuverluste, bei Werbung unvermeidbar, entfallen bei der Kulturfinanzierung: Sie spricht, und zwar zielgruppengerecht, Trendleader an.
Ob es nun aber Zensur ist, wenn der eine Künstler gesponsert wird und der andere nicht, ist eine Dauerdebatte. Die Bonner Studie weiß eine Lösung: Sie ruft nach der Einrichtung staatlicher Anlaufstellen für Sponsoringwillige: So fänden Staats- und Privatkunst ohnehin zusammen.
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