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Nicht einschlafen!

Die Überführung jugendlichen enthusiastischen Irrsinns in reflektierte Bewegung: Bernadette La Hengst im Tower

Was auf der Platte insistierend in den Song „Weh tun (wir bleiben in Bewegung)“ platzt, trägt Bernadette Hengst im Tower vor einer kleinen, aber glücklichen Menge vergleichsweise zurückhaltend vor. Nein, hier schläft niemand ein.

Man kennt Bernadette vor allem aus Bandzusammenhängen, von den großartigen „Huah“ und den bekannteren „Die Braut haut ins Auge“. Aber das ist vorbei. Bernadette steht heute alleine auf der Bühne. Das heißt, sie steht eher selten. Meistens tanzt und springt sie, auf diese exzentrisch-charakteristische und äußerst mitreißende Art, wie sie es auch in ihrem Video zum Titelsong ihres Solo-Albums „Der beste Augenblick in deinem Leben ist gerade eben jetzt gewesen“ tut.

Allein auf der Bühne ist immer ein Drahtseilakt. Gerade wenn die Musik tanzbarer Elektronik-Pop ist, wie die meisten Bernadette La Hengst-Stücke. Da kommt dann viel vom DAT. Und man muss schon sehr viel Austrahlung haben, um das vergessen zu machen. So wie Bernadette. Noch vor‘m ersten Stück Musik fordert sie mehr Applaus vom Publikum – „das machen wir jetzt noch mal“ – und den Refrain mitsingen soll es auch noch. Das alles fordert sie in dermaßen charmanter Weise, dass das Eis bereits gebrochen ist, bevor das Konzert überhaupt begonnen hat.

Ähnlich übersprudelnd sind auch ihre Songs. Ein Bernadette La Hengst-Stück strebt immer in mindestens zwei Richtungen auf einmal. Ein knackiger Trash-Disco-Beat, eine punkige Gitarre und ein Feel-Good-Text mit Widerhaken. Weil: „Der beste Augenblick in deinem Leben ist nicht morgen, sondern gerade eben“. Bernadette reibt sich an der Idee vom Erwachsensein als „sich einrichten“. Sie will den jugendlichen enthusiastischen Irrsinn in eine reflektierte Bewegung überführen. Und nach diesem Abend bleibt das Gefühl, Bernadette La Hengst hätte das Rezept dafür gefunden.

Sie beendet ihre Johnny Cash-Variation „Ein Mädchen namens Gerd“ mit dem Ansingen eines halben Dutzend Songs, die Mädchennamen im Titel haben. Von Van Morrisons „Gloria“ bis Hüsker Düs „Diane“. Sie ist souverän, witzig, wach und präsent. Und das trotz Erkältung. Wow!

Dieter Wiene

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