piwik no script img

„Konkret“ macht Politik

Richtungsstreit im Hause Gremliza. Politikredakteur Jürgen Elsässer gefeuert. Hintergrund ist die Bewertung der Irak-Kampagnen der USA. Elsässer wirft dem Magazin „Kriegslügen von links“ vor

von PETER NOWAK

Wenn im Herbst 2002 Redakteure entlassen werden, muss meistens die Werbekrise als Erklärung herhalten. Bei Konkret ist das anders: Am Donnerstag wurde Jürgen Elsässer gefeuert – der seit langem schwelende Streit um die politische Richtung des Linksblattes, vor allem mit Blick auf die Irak-Politik der USA, ist endgültig eskaliert. Schließlich war Elsässer neben Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza in den letzten Jahren das bekannteste Gesicht des Hamburger Magazins für „Politik und Kultur“.

Politische Richtungswechsel sind bei Konkret keine Seltenheit: In den 60er-Jahren hatte sich das Blatt vor allem wegen der Beiträge von Ulrike Meinhof in der damaligen Linken großes Ansehen erworben. Das änderte sich gegen Ende des Jahrzehnts, als der damalige Herausgeber Klaus-Rainer Röhl statt auf politischer Inhalte auf Titelbilder mit nackten Frauen setzte. Erst Gremliza gelang die Repolitisierung – zunächst auf einer linkssozialdemokratischen Grundlage. Zu den Konkret-Mitarbeitern gehörten in jenen Jahren neben Udo Lindenberg, Wolf Biermann und dem heutigen Spiegel-Chef Stefan Aust auch der damalige SPD-Landeschef von Schleswig-Holstein.

Die Wiedervereinigung Deutschlands und der erste Golfkrieg führten dann um die Jahreswende 1990/91 zur nächsten politischen Umorientierung. Radikale Kritik an Deutschland und die Auseinandersetzung mit dem wiedererstarkenden Antisemitismus rückten in den Mittelpunkt. Neben Gremliza stand Elsässer zunächst als ständiger Mitarbeiter und ab April 1999 als Politikredakteur für diese Linie.

Doch in den letzten Monaten war es mit der antideutschen Einheitsfront vorbei. Der Streit entzündete sich an der Irak-Frage. Während Elsässer entschieden einen Militärschlag ablehnte und die Politik der USA vehement kritisierte, sprachen sich andere Konkret-Autoren ebenso deutlich für einen Sturz des irakischen Regimes aus – zur Not auch mit Hilfe der USA.

Harte Worte

„Was jetzt zum Bruch in der Konkret-Redaktion führte, entzweit viele andere Zeitschriftenredaktionen, Antifa-Gruppen und selbst private Freundeskreise“; schreibt Elsässer in einer längeren Erklärung in der heutigen Ausgabe der Jungen Welt zu den Hintergründen seiner Entlassung. Er kritisiert die zunehmende Begeisterung für die Politik der US-Regierung in der Irak-Frage in antideutschen Kreisen. Mit einem Verzicht auf den Antimilitarismus würde sich die Linke selbst aufgeben, so Elsässer. Unter der Überschrift „Kriegslügen von links“ nennt er Beispiele, wie die realen Verbrechen des irakischen Regimes ins Monströse aufgebauscht werden, um Gründe für einen Irakkrieg zu liefern. „Die Gräuel der westlichen Politik werden verharmlost, die des überfallenen Landes inflationiert. Diese Methode ist aus dem Jugoslawienkrieg bekannt.“

Ob Konkret die bislang im Blatt praktizierte linke Pluralität nach dieser Entlassung beibehält, wird sich zeigen. Die Redaktion will erst am Montag eine Stellungnahme abgehen.

Dass Elsässers Text in der Jungen Welt steht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Hier war er 1997 stellvertretender Chefredakteur. Dann spaltete sich die Redaktion – hauptsächlich wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Politik des Staates Israels. Elsässer gehörte damals zu den Mitbegründern der Jungle World.

Und auch dort deutet sich ein Richtungsstreit an. „Wir, als Autoren und Leser der Jungle World, wollen wissen, ob dieses weiterhin ‚unsere Zeitung‘ [.…] ist“, heißt es in einem offenen Brief, der in der aktuellen Ausgabe abgedruckt wird. Der Grund für den Streit: Ein mehrseitiges israelkritisches Dossier, das die Jungle World vor drei Wochen veröffentlichte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen