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Schrift auf Kopf

Der chinesische, jetzt in den USA lebende Performance- und Fotokünstler Zhang Huan stellt tradierte kulturelle Codierungen zur Disposition

von HAJO SCHIFF

Nackte Menschen, die mit dem Einsatz ihrer Körper einen Berg um einige Meter erhöhen, Wanderarbeiter, die bis zur Brust im Wasser stehen und durch bloße Anwesenheit den Pegel eines Fischbeckens erhöhen: Kunst aus China kann völlig anders aussehen, als die gefällige Malerei, die offizielle Regierungsstellen gerne exportieren.

Ein chinesischer Künstler der systemkritischen und in ihren Aktionen oft sehr brutalen Off-Szene ist Zhang Huan. Die Arbeit des einst zur Gruppe Beijing East Village gehörenden Performers ist jetzt im Kunstverein zu sehen. Damit zeigt dessen Leiter Yilmaz Dziewior einen Künstler, der ihm schon 1999 in der von ihm mitkuratierten Kölner Ausstellung Kunst-Welten im Dialog aufgefallen war. Ein schwieriges Unterfangen, changiert eine solche Präsentation doch ständig zwischen Fotokunst und der bloßen Dokumentation von Auftritten.

Die frühen, in einem Klima der Unterdrückung durch die chinesische Ordnungsmacht am Rande Beijings realisierten Performances, die dort nicht als Kunst anerkannt wurden und nur einem kleinen Kreis bekannt waren, sind inzwischen zur Legitimation des Künstlers geworden. Während die Fotos dieser Aktionen ohne den politischen Kontext inzwischen eher poetisch wirken, wenden sich die jüngeren Fotoserien des nun seit vier Jahren in New York lebenden Künstlers allgemeineren Problemen zu.

Eindrucksvoll sind hier die Kopfbeschriftungen: Zhang Huan bedeckt sein Gesicht solange mit chinesischen Schriftzeichen, bis es vollkommen schwarz ist. Diese neunteilige Serie zeigt ohne Worte, wie ein Exilierter stets seine Lebens- und Kulturgeschichte ins Gesicht geschrieben mit sich trägt – und nähert Zhang Huan am Ende einer anderen, von Diskriminierung nicht freien Gruppe an, den Afroamerikanern.

Diese bisher größte Ausstellung des 1965 in He Nan geborenen Chinesen ist interessant, selbst da, wo sie unverständlich bleibt. Denn in dieser Schau gelingt es manchmal weder dem Betrachter noch dem Künstler, kulturell bedingte Symbole zu entschlüsseln: So wenig, wie im Westen alle Anspielungen auf die chinesische Tradition verstanden werden, so schwer scheint es Zhang Huan zu fallen, die abendländischen Codierungen ganz in seine Aktionen aufzunehmen. Um die Ausdrucksformen verschiedener Kulturkreise interkulturell lesbar zu machen, nutzt Zhang Huan für seine hybriden Bildinszenierungen als kleinsten gemeinsamen Nenner eben den nackten menschlichen Körper.

Die am Eröffnungsabend gezeigte Performance Hamburg Seeds war mit der Freilassung einer weißen Taube mit rotem Fußbändchen allerdings dermaßen religiös-politisch übercodiert, dass sie ohne erkennbare Ironie an schwülstigen Kitsch grenzte. Auch scheint es etwas schlicht, der Kirche Spaniens, die im Zuge der Eroberung des iberischen Weltreichs Millionen von Opfern auf ihrem Gewissen hat, schlicht die Parallele von Weihrauch und Knochenbrand vorzuführen.

Wie andere Videos zeigen, ist es Zhang Huan in seiner Wahlheimat Amerika besser gelungen, solche Interventionspunkte zu finden: etwa dann, er sich immer wieder in Performances mit Hunden einlässt, deren „westliche“ Verzärtelung ihn überraschte – oder wenn er, mit Unmengen von Steaks bepackt, in der übergewichtigen und machtversessenen US-Kultur den Superman parodiert.

Di–So 11–18 Uhr, Do bis 21 Uhr (24. + 31.12. geschlossen, 25. + 26.12. + 1.1. geöffnet), Kunstverein, Klosterwall 23; bis 9. Februar 2003

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