: Ein wackliger Frieden für die Provinz Aceh
Indonesische Regierung und Separatisten unterzeichnen Friedensvertrag. Beiderseitiges Misstrauen bleibt
BERLIN taz ■ Die Vermittler vom Genfer Henri-Dunant-Zentrum für humanitären Dialog haben gestern erst einmal aufgeatmet. Zwei Jahre lang hatten sie zwischen den verfeindeten Parteien vermittelt. Nun setzten die Vertreter der indonesischen Regierung und der Separatistenbewegung „Freies Aceh“ (GAM) in Genf ihre Unterschriften unter einen Friedensvertrag. Darin erklärt sich die Regierung bereit, den Großteil ihrer 22.000 Streitkräfte aus der Region abzuziehen. Die Rebellen ihrerseits stimmten einer schrittweisen Entwaffnung unter internationaler Aufsicht zu.
Für die mehr als vier Millionen Bewohner der Provinz in Nordsumatra soll es künftig mehr Autonomierechte geben. In zwei Jahren sollen unter den Augen internationaler Beobachter ein Regionalparlament und eine Regierung gewählt werden. „Das Abkommen ist ein Meilenstein, aber wir haben noch einen langen Prozess vor uns“, sagte Andy Andrea, der Sprecher des Henri-Dunant-Zentrums, gestern der taz. Er sei optimistisch, dass beide Seiten die Bedingungen einhielten, auch wenn man das gegenseitige Misstrauen noch nicht habe ausräumen können. Das Abkommen bringe dem Aceh-Konflikt, einem „vergessenen Krieg“, zumindest viel öffentliche Aufmerksamkeit.
Politische Beobachter bezweifeln, dass der Frieden von Dauer sein wird. Denn letztendlich kam der Vertrag nur auf internationalen Druck zustande. In der ressourcenreichen Unruheprovinz, deren Einnahmen größtenteils von Jakarta abgezogen wurden, wird weiterhin gekämpft. Dabei hat die GAM den Höhepunkt ihrer Popularität längst überschritten. Die völlig zersplitterte Organisation hat viel internationalen Kredit verspielt. Das weiß auch die Regierung in Jakarta. Zudem sind die Menschen in Aceh des blutigen Konflikts mehr als müde, dessen rund 12.000 Todesopfer vorwiegend Zivilisten waren.
Die Rebellen, die seit 1976 für die Unabhängigkeit von Indonesien gekämpft hatten, müssen sich jetzt mit Autonomie zufrieden geben. Zwar werden den Acehnesen seit Anfang des Jahres bereits Teilerlöse aus den Einnahmen des Energiesektors zugestanden; die Unabhängigkeit aber hatte die Zentralregierung in Jakarta stets abgelehnt.
Sollte die GAM nun weiter mit Separatismus liebäugeln, dürften Indonesiens Militärs dies wie in anderen Landesteilen im Keim zu ersticken versuchen. Ohnehin kam der Mitte November verkündete Durchbruch zum Frieden nur unter militärischem Druck zustande: Die Armee hatte ein Rebellenlager umzingelt und beschossen – trotz des islamischen Fastenmonats Ramadan. Nicht nur deswegen bezweifeln Aceh-Experten, dass das in Genf unterzeichnete Abkommen ein Garant für Frieden ist. Sowohl Militär als auch GAM sollen ihre Kasse mit illegalen Waffen- und Drogengeschäften gefüllt haben. Schon deswegen dürfte das Interesse an der Entmilitarisierung Acehs gering sein.
„Aceh wird eine Kriegszone bleiben“, meint denn auch Roberto Hutabarat von der Asia Foundation in San Francisco. Auf einer Konferenz in Tokio hatten kürzlich Vertreter der EU, der USA und der Weltbank über Finanzhilfen für den Aufbau der Infrastruktur in der öl- und gasreichen Provinz beraten. Eine Befriedung der Region liegt nicht zuletzt im Interesse von Konzernen wie ExxonMobil, der in Aceh Erdgas fördert. NICOLA GLASS
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