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Gegen die Klischees

Pop-Phänomene erklären sich durch gegenläufige Strömungen bestehender Verhältnisse: Japanische Kicker sind so nicht nur beim HSV Pop

von OKE GÖTTLICH

Pop und Japan sind zwei sich anziehende Gegensätze. Das erfährt auch Naohiro Takahara gerade. Eigentlich ist Takahara nur für wenige Tage zur Beobachtung in Hamburg. Der HSV möchte sehen, ob der japanische Nationalstürmer wirklich so gut ist, wie einige Statistiken behaupten. Immerhin landete der Torjäger mit 26 Toren in 27 Spielen der japanischen Liga auf dem sechsten Platz in der Rangliste der weltweit effektivsten Stürmer, wie die International Federation of Football History & Statistics vorgestern publizierte. Dennoch spielt Takahara nur vor. Nichts besonderes – eigentlich.

Denn mit Takahara fanden auch 40 japanische JournalistInnen ihren Weg in den Hamburger Volkspark. Ein Rummel, den bisher nur der für Parma spielende Hidetoshi Nakata, ebenfalls japanischer Nationalspieler in Europa, kannte.

Fußball ist nach der WM in dem zuvor nicht gerade für den gepflegten Kick bekannten Land das heiße Ding. Zudem ist die Starlett-Kultur in Japan ein bekanntes gesellschaftliches Phänomen. Vorbilder werden in Japan so sehr verehrt, dass weitgrassierende Nachahmungseffekte nicht nur innerhalb der jugendlichen Bevölkerung eine häufige Folge sind. „Das liegt ein wenig an der Tradition. Bereits in der Schule ist vieles darauf aufgebaut, dass der Lehrer etwas vormacht und die Schüler es ihm nachmachen“, erklärt Frank Janssen, der für einen japanischen Fernsehsender arbeitet und die Geschicke Takaharas für das japanische TV begleitet. Doch Fußball beziehe in Japan seine besondere Faszination gerade dadurch, dass sich die individuelle Fähigkeit auch über die Gemeinschaftlichkeit erheben könne, weiß Tomoyuki Haneda vom Hochi Shimbum, einem japanischen Sportmagazin. Seit der französische Trainer Philippe Troussier das japanische Team übernahm, wurden für Japan untypische Klischees wie Individualität und Rücksichtslosigkeit gefördert. Das strebt der Tradition entgegen und fördert Pop.

Ein Prinzip, welches Takahara nicht sonderlich gefällt. Er ist bescheiden und stellt sich ungern ins Rampenlicht. Er besticht lieber durch tolle Technik und besondere Schnelligkeit. Das beeindruckt auch HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer mehr als die Menge an mitgereisten JournalistInnen. Außerdem sind die Verpflichtungsmodalitäten für den Japaner äußerst attraktiv. Da sein Vertrag bei Jubilo Iwata ausläuft, wäre Takahara ablösefrei. „In meiner Heimat wäre man sehr stolz, wenn ich in Deutschland spielen würde“, weiß er, weswegen der HSV wohl doch eine kleine Ablösesumme aufbringen muss. Dafür liegt das Gehalt für den 23-Jährigen im Rahmen. Eine Liste der J-League weist ihn mit mit knapp 400.000 Euro Verdienst zwischen Rang 30 und 35 auf.

Immer noch ganz schön viel, gemessen an dem, was der japanische Journalist für blödes Modeln vom deutschen Fernsehen bekommt. „Zwei Bier“ forderte Haneda gekonnt, nachdem er mit Fernglas und Laptop auf dem Schoß posieren musste.

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