piwik no script img

Rechtsruck bei Israels Parteien

Der Likud und die Arbeitspartei stellen ihre Kandidaten für die Parlamentswahlen im Januar auf. Die beiden Vorsitzenden finden sich politisch auf Außenseiterposten wieder. Scharon hat auf den ersten elf Listenplätzen keinen einzigen Verbündeten

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Ein Rechtsruck geht durch die beiden größten israelischen Parteien. Dies zeigte sich bei der diese Woche erfolgten Aufstellung der Kandidatenlisten für die im Januar anstehenden Parlamentswahlen. Die Spitzenkandidaten Ariel Scharon vom Likud und Amram Mitzna von der Arbeitspartei, die beide mit großem Vorsprung vor ihren parteiinternen Gegnern gewählt wurden, finden sich selbst auf „linkem“ Außenseiterposten unter den für den Einzug ins künftige Parlament auserkorenen Parteirepräsentanten. Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse ist die Gruppe der Wahlberechtigten. Während der Parteivorsitzende von allen Parteimitgliedern benannt wird, legt allein der Zentralrat die Kandidatenlisten fest.

Bei der Arbeitspartei musste Jossi Beilin den Preis dafür zahlen, dass er die innerparteilichen Spielregeln nicht befolgen wollte. Er habe sich zu wenig kollegial und „nicht parteibewusst“ gegenüber dem Exvorsitzenden und ehemaligen Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser verhalten, werfen ihm seine Genossen vor. Beilin, dem es nicht gelang, einen der 25 realistischen Listenplätze zu ergattern, gehörte zweifellos zu den schärfsten Gegnern der Koalition mit Premierminister Scharon, und er warf Ben-Elieser wiederholt vor, sich als Feigenblatt für die konservative Regierung missbrauchen zu lassen. Hätte Ben-Elieser anstelle von Mitzna die Wahlen zum Parteivorsitzenden gewonnen, wäre Beilin vermutlich nicht mehr bei der Aufstellung der Abgeordnetenlisten dabei gewesen, sondern hätte versucht, eine alternative sozialdemokratische Partei zu gründen.

„Wir hatten große Sorge, dass die Kandidaten dem extremeren linken Spektrum angehören würden, aber das ist Gott sei Dank nicht der Fall“, kommentierte Ben-Elieser mit Genugtuung die Namensliste der Gewinner. An erster Stelle – gleich nach den für Mitzna, Ben-Elieser und Exaußenminister Schimon Peres reservierten Sitzen – liegt Matan Wilnai, ehemals Vize-Stabschef und Kulturminister, der eher den konservativen Flügel in der Partei repräsentiert. Von ihm erhofft sich Ben-Elieser Rückendeckung in Fragen wie der einseitigen Auflösung jüdischer Siedlungen und ob Verhandlungen mit den Palästinensern geführt werden sollen, solange die Gewalt andauert. Beides hatte Spitzenkandidat Mitzna für den Fall angekündigt, dass er die kommende Regierung führt.

Für Scharon hingegen wird es schwierig werden, mit den rechts von ihm stehenden Likud-Abgeordneten die von ihm angestrebte Einheitsregierung zu formieren und ein Zusammengehen mit Mitzna durchzusetzen. Der Likud-Parteichef ist vor allem mit seiner grundsätzlichen Zustimmung zur Gründung eines Palästinenserstaates ideologisch von den künftigen Likud-Abgeordneten isoliert. Seine engsten Verbündeten wie Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert und der eben von ihn ins Verteidigungsministerium berufene Exstabschef Schaul Mofas mussten sich mit überraschend niedrigen Listenplätzen zufrieden geben, sodass Olmert derzeit gar erwägt, vorläufig im Rathaus zu bleiben.

Olmert schaffte es nur auf Platz 33 der Liste, was nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass der Likud derzeit nur über ganze 19 Mandate in der Knesset verfügt, sicher wenig ermutigend ist. Dennoch hofft die größte Fraktion nicht ganz ohne Berechtigung auf „40 plus“ Sitze in der kommenden Regierungsperiode. Grund für ihren berechtigten Optimismus ist, dass die bevorstehenden Wahlen wieder nach dem bis 1992 gültigen Recht abgehalten werden. Der Regierungschef wird nicht mehr, wie zuletzt, per separater Stimmabgabe bestimmt, sondern von der stärksten Fraktion gestellt. Gewinner dieses Vorgehens sind sowohl der Likud als auch die Arbeitspartei.

Mit Abstand besser als der Bürgermeister Jerusalems schnitt Michael Goralovsky (Platz 28) ab, ehemals Fahrer des extrem rechten Politikers Avigdor Liebermann und wohnhaft in der jüdischen Siedlung Nokdim bei Bethlehem. Benjamin Netanjahu bewegt sich auf der Bühne des Zentralrats deutlich eleganter als Scharon, dem es nur mit Mühe gelang, seinen Sohn Omri per Quotierung für den Negev auf einen realistischen Listenplatz zu bringen. Unter den ersten elf Posten hat Scharon nicht einen einzigen Verbündeten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen