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Kritik an Ärzten wird schärfer

Mediziner kündigen Streiks an. Nullrunde und sinkende Punktwerte bedrohen Existenzen. Damit wird die medizinische Arbeit zum Minusgeschäft. Direkte Verträge mit den Krankenkassen lehnen Ärzte ab. Patientenverband kritisiert die Mediziner

von STEPHANIE VON OPPEN

Wer in den nächsten Wochen krank wird, könnte bei seinem Hausarzt vor verschlossenen Türen stehen. Angesichts einer Nullrunde, die im nächsten Jahr auf sie zukommt, gehen die Ärzte auf die Barrikaden und drohen mit Streik.

Schon am vergangenen Wochenende hatte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) Manfred Richter-Reichhelm angedroht, in den nächsten Wochen nur noch „Dienst nach Vorschrift“ zu machen. In einem Gespräch mit Bundessozialministerin Ulla Schmidt sicherte die KBV aber inzwischen zu, dass die notwendige medizinische Versorgung ohne Einschränkungen gesichert bleibe. Nach wie vor schließt der KBV-Vorsitzende jedoch nicht aus, dass bis zu 30 Prozent der Praxen in Deutschland bis zum Jahresende schließen werden, da sie bereits ihre Budgets ausgeschöpft haben.

Ob es tatsächlich so weit komme, hinge aber auch noch von den Verhandlungen in den kommenden Wochen ab, sagte ein Sprecher der KBV zur taz. Wenn abzusehen sei, dass die Gesundheitsreform in „die richtige Richtung gehe“, dann würden die Ärzte nicht streiken. Eine der vordringlichsten Forderungen der Ärzte sei es zum Beispiel, die Honorare neu zu gestalten. Bisher werden die Leistungen der Ärzte nach Punkten abgerechnet und erst am Ende des Quartals, wenn die Gesamtkosten feststehen, wird festgesetzt, wie viel Geld ein solcher Punkt wert ist. Freiberufliche Ärzte hätten also wenig Möglichkeiten, ihr finanzielles Risiko abzuschätzen, kritisierte der Sprecher.

Das Vorhaben von Ulla Schmidt, die KBVen zu entmachten und in Zukunft auch direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten möglich zu machen, lehnt die verfasste Ärzteschaft erwartungsgemäß ab. Leistungen würden auf diese Weise zu billig und darunter könne die Qualität der Leistungen leiden, warnt die KBV. In der vergangenen Woche hatten die Kassenärzte eine „Urabstimmung“ angekündigt, um ihren Protest gegen die Sparmaßnahmen auszudrücken. Von diesem Vorhaben sind sie wieder abgerückt. Nun wollen sie mittels einer „Befragung“ klären, wie sie sich in Zukunft organisieren wollen.

Der Allgemeine Patientenverband hat den Widerstand der Ärzteverbände gegen einen Sparkurs der Regierung unterdessen scharf kritisiert. Verbandspräsident Christian Zimmermann warf den Ärzten vor, ein Großteil ärztlicher Leistungen werde „nicht auf Grund medizinischer Notwendigkeit“ erbracht.

Inzwischen verschärfte sich auch der Streit zwischen Schmidt und der Techniker Krankenkasse (TK). Ulla Schmidt bekräftigte, dass sie deren neuen Bonustarif nicht dulden werde. Das Bundesversicherungsamt prüft derzeit, ob es die Erlaubnis zu dem Modellversuch zurückzieht. Die Union und die Grünen kritisierten Ulla Schmidts Ablehnung des Projekts. Die TK will den Modellversuch notfalls auf gerichtlichem Weg durchsetzen.

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