: neue filme Herr Schmidt und Herr Friedrich
D 2001, Regie: Ulrike Franke, Michael Loeken, 69 Min.
„Die Liebe ist das Gegenteil des Staates“, zitiert Jean-Luc Godard in seinem jüngsten Film („Eloge de l’amour“) Georges Bataille. Ohne den Ausspruch zu kennen, handelten Wilfried Friedrich und Kurt Schmidt nach dieser Maxime. Nachdem sie sich 1977 über einen Vicky-Leandros-Fanclub kennen gelernt hatten, verlor die deutsche Zweistaatlichkeit für sie ihre Zwangsläufigkeit. Herr Friedrich setzte fortan alles daran, von Burg (DDR) nach Nordhorn (BRD) zu gelangen. Herr Schmidt unterstützte dieses Bestreben durch Interventionen bei der Ständigen Vertretung. Die Staatssicherheit diagnostizierte in einem Dossier das Verhalten Herrn Friedrichs als „abnorme Entwicklung der Persönlichkeit“. Im Juli 1980 konnte Wilfried Friedrich in den Zug nach Hannover steigen. Es folgten glückliche Jahre in der niedersächsischen Provinz. Die beiden kauften eine Doppelhaushälfte mit Garten und legten ihre Plattensammlungen zusammen. Wilfried konnte seine Mutter in den Westen nachholen. Ulrike Frankes und Michael Loekens Dokumentation setzt ein, als diese Euphorie schon längst Geschichte ist. Die Textilbude hat dichtgemacht, beide Männer sind arbeitslos. Mühselig werden die Raten für das Haus abgestottert, nach Abzug aller Fixkosten bleiben kaum 100 Mark übrig für ihre bescheidenen Freizeitvergnügen. Mal ein Gaststättenbesuch, mal ein Ausflug in ein Minigolfcenter. Und die geliebten Schlagerplatten natürlich. Immer öfter gibt es Streit, meist wegen Nichtigkeiten. Die Nachricht von Wilfried Friedrichs Tod wird uns protokollarisch im Abspann mitgeteilt und trifft wie ein Keulenschlag. In dem Dokumentarfilm war zuvor eine überraschend intensive Annäherung an zwei Menschen erfolgt, deren Privatuniversum nicht einladend wirkt. Doch keinen Augenblick lang begegnen Franke und Loeken ihren Gesprächspartnern mit einer Draufsicht, sondern immer auf Augenhöhe. Die kuriose Leidenschaft für Schlagerschnulzen wird ebenso wie die homosexuelle Beziehung ohne jeden Kommentar als Lebensentwurf akzeptiert.
Blow up, Xenon
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