Kinder an die Macht

Als Erste ausgebeutet, als Letzte gefragt: „Kinderreport Deutschland“ und Unicef ziehen Bilanz und fordern Mitspracherechte für Kinder

BERLIN afp/epd ■ Der erste „Kinderreport Deutschland“ zieht eine erschreckende Bilanz der Situation von Kindern in der Bundesrepublik. „Unsere Gesellschaft hat gegenüber unseren Kindern einen Zustand erreicht, den man als extrem kinderunfreundlich bezeichnen muss“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, gestern bei der Vorstellung des Reports. Er rief alle Politiker auf, sich stärker für Kinderrechte einzusetzen. Mehr Beteiligungsrechte für Kinder weltweit forderte auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef bei der Präsentation seines Jahresberichts.

In dem knapp 300 Seiten starken „Kinderreport Deutschland“ tragen 18 Experten wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen, zum Beispiel zu den Themen Gesundheit, Kriminalität oder Leistungsgesellschaft. Zudem beschreiben zehn Kinder in Kurzporträts ihren Alltag. Laut dem „Kinderreport“ schluckt ein Drittel der Kinder und Jugendlichen bereits Medikamente, jedes 4. Kind leidet an Allergien. Für viele Zehnjährige gehörten Tabak- und Alkoholkonsum zum Alltag, warnte Krüger. Neben Kinderparlamenten und Kinderbüros fordert er einen Bundesbeauftragten für Kinderrechte.

Auch Unicef ruft dazu auf, weltweit Mitsprachemöglichkeiten durch Kinderforen oder Kinderparlamente auszubauen. Überall würden Kinder „als Erste ausgebeutet“, aber „als Letzte nach ihrer Meinung gefragt“, sagte Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs. Dem Unicef-Jahresbericht 2003 zufolge wächst jedes 4. der rund 2,1 Milliarden Kinder auf der Erde „in absoluter Armut“ auf. Ihr Leben sei bestimmt durch mangelnde Schulbildung, Krankheiten und Ausbeutung. Den meisten Kindern auf der Welt fehle jegliche Möglichkeit, ihre Zukunft mitzugestalten. Weltweit habe daher die Mehrzahl der jungen Menschen das Vertrauen in demokratische Institutionen verloren. Dies habe eine Befragung von 40.000 Kindern in 72 Ländern gezeigt. So meinten nur vier von zehn Kindern in Europa und Zentralasien, mit Wahlen die Situation in ihrem Land verbessern zu können. „Kinder müssen frühzeitig lernen, dass sie ein Recht darauf haben, gehört zu werden“, forderte Garlichs. Sonst seien sie auch als Erwachsene nicht bereit, sich für die Gesellschaft einzusetzen.