: Zehn Zentimeter fehlten zum Freispruch
Landgericht verurteilt Baggerfahrer im Geschwornenweg-Prozess zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung
Vieles stimmte nicht mit dem Gasanschluss des Hauses Nummer 11 im Neustädter Geschwornenweg. Und ein Bündel an Faktoren führte dazu, dass das Seniorenwohnheim der Heilsarmee vor zwei Jahren explodiert ist. Nun muss ein Einzelner dafür büßen. Das Landgericht verurteilte den 52-jährigen Baggerführer Klaus-Heinrich B. gestern wegen fahrlässiger Tötung von zwölf Menschen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Darüber hinaus werden auf B. gewaltige zivilrechtliche Forderungen zukommen.
„Sie haben einen schrecklichen Fehler gemacht nach über dreißig Jahren ordentlicher Arbeit“, sagte der Vorsitzende Richter Reinhard Wacker – und räumte ein, dass die Konstellation für den Verurteilten „irgendwo unglücklich“ gewesen sei. B. habe fahrlässig gehandelt, als er bei Kanalbauarbeiten den Straßenbelag aufgenommen habe. „Sie haben zu tief gebaggert bei einem Rohr, das zu hoch lag“, brachte Wacker die tragische Verkettung auf den Punkt. Als „besonders erfahrener Baggerführer“ habe B. um die Gefahren solcher Arbeiten gewusst. Gleichwohl habe B. „deutlich tiefer“ als die maximal erlaubten vierzig Zentimeter gebaggert – mindestens um zehn Zentimeter zu tief. Die schreckliche Konsequenz: B. erfasste die Gasleitung mit seiner Baggerschaufel, ein Verbindungsstück am Hauseingang riss, Erdgas strömte in den Keller des Seniorenheims und entzündete sich kurz darauf.
Zu Gunsten des Baggerführers wertete die Kammer, dass die Stadtwerke das Gasrohr ungewöhnlich hoch verlegt hätten. Zudem hatte sich während des Verfahrens herausgestellt, dass der Hausanschluss nicht fachgerecht hergestellt worden war: Es sei „nicht auszuschließen“, dass bei einer DIN-gerechten Verlegung „das Unglück nicht passiert wäre“, sagte Wacker. Es habe „nur eines ganz geringen Verschuldens“ von Seiten B.s bedurft, um die Explosion herbeizuführen. Und selbst bei einem „optimalen Kommunikationsgang“ von sofort eingeleiteten Rettungsbemühungen hätte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts mehr machen können“, sagte der Richter. „Die Leute in dem Haus waren wohl schon verloren, als Sie das Rohr angezogen haben“. jox
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