: SPD ist nicht koalitionsfähig
Krise in der SPD: Fundamentale Gegensätze zur GAL sieht die grüne Fraktionschefin Christa Goetsch im taz-Interview: Politische Konzepte der Sozialdemokraten sind „populistisch und symbolfixiert“
Interview: SVEN-MICHAEL VEIT
taz hamburg: Frau Goetsch, bereitet Ihnen der Zustand Ihres Oppositionspartners SPD nach dem Rücktritt von Fraktionschef Uwe Grund Sorgen?
Christa Goetsch: Natürlich. Ich kann der SPD-Fraktion nur eine glückliche Hand bei der Neuwahl wünschen und keine Hängepartie.
Verbinden Sie bestimmte Hoffnungen oder Befürchtungen mit der Person des oder der neuen FraktionschefIn?
Ich werde mich nicht in interne Angelegenheiten anderer einmischen, aber eine geschlossene große Oppositionsfraktion mit einer starken Führung wäre der GAL nicht unlieb.
Für politische Beobachter in der Bürgerschaft ist auffällig, dass die ehemaligen Regierungspartner SPD und GAL in vielen Punkten ganz erhebliche Meinungsverschiedenheiten haben. Ist die grundsätzliche Ablehnung von Schwarz-Schill nur noch der kleinste gemeinsame Nenner?
Es gibt in der Tat in einigen Bereichen mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten, vor allem in der Innenpolitik. Die Hardliner-Konzepte des Abgeordneten Michael Neumann – zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln oder geschlossene Heime – sind mit der GAL nicht zu machen ...
Nicht mehr zu machen? Brechmittel wurden von Rot-Grün verordnet.
Der Tod von Achidi John hat bewiesen, dass der zwangsweise Brechmitteleinsatz ein Fehler war. Wir Grüne haben daraus Lehren gezogen. Auch bedeutet Öffentliche Sicherheit für die GAL mehr als nur Kriminalitätsbekämpfung, zum Beispiel mehr Sicherheit für Leib und Leben im Straßenverkehr. Die Begrifflichkeit der SPD ist da sehr eng gefasst und populistisch. Das sind fundamentale Gegensätze zu den Positionen der GAL.
Aber auch in der Bildungspolitik offeriert die SPD jetzt einen bunten Strauß an Möglichkeiten ohne klare Linie. Sie bedient alle Schulformen ohne wirklichen Aufbruch nach PISA.
Wäre aus grüner Sicht die Hamburger SPD zurzeit überhaupt koalitionsfähig?
Die SPD ist zwar theoretisch der einzig mögliche Koalitionspartner für die GAL, aber zum Glück stellt sich diese Frage jetzt nicht. In der gegenwärtigen inhaltlichen Verfassung der Sozialdemokraten könnten wir sicher nicht mit einem klaren „Ja“ antworten.
Schill und die Regierungs-Koalition haben eine erhebliche Sogwirkung nach rechts erzeugt. Die GAL widersteht dem als einzige Partei in Hamburg – ist die SPD eher auf dem Weg in eine große Koalition?
Ich hoffe nicht, aber die Fraktion ist in ihren politischen Konzepten so offen und auf Symbole fixiert, dass alles möglich scheint. Für einen Diskurs des Aufbruchs, wie die GAL ihn führt, sind Anzeichen bei der SPD bislang nicht deutlich erkennbar.
Welche strategische Ausrichtung von Oppositionsarbeit links von Schwarz-Schill schwebt denn der GAL vor?
Wir Grüne wollen Konzepte für die Stadt, die Bürgerinnen und Bürger und für die Kinder umsetzen: in der Kinder- und Schulpolitik, in der Verkehrspolitik, im Umwelt- und im Verbraucherschutz. Die GAL wird sich in diesen und anderen Fragen noch klarer als bisher wieder profilieren. Wir orientieren uns programmatisch auf die nächste Wahl im Jahr 2005.
Wenn wir für unsere grünen Reformkonzepte einen verlässlichen Partner finden, ist das in Ordnung.
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