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Wenig mehr als ein Club

Die Krise beim FC Barcelona verschärft sich. Aufgebrachte Fans und die Opposition des Vereins bereiten den Sturz von Präsident Gaspar vor, derweil wird auch am Stuhl von Trainer Van Gaal gesägt

aus Madrid REINER WANDLER

Die Bilder sprechen für sich. Nach dem verlorenen Heimspiel gegen den FC Sevilla (0:3) lässt ein versteinert wirkender Joan Gaspart minutenlang Pfiffe und „Hau ab!“-Rufe über sich ergehen. Zehntausende Fans des FC Barcelona winken ihrem Präsidenten mit dem weißen Taschentuch zu. Stierkampfsymbolik, die die Forderung nach dem Rücktritt unterstreichen soll. Vor dem Stadion sammeln Fanclubs Unterschriften. 4.500 wollen sie bis zum Dreikönigstag zusammenkriegen. Dann müsste der Vorstand laut Statut Neuwahlen einberufen. „Mehr als ein Club“ lautet das Motto der Anhänger der Blau-Roten. „Weniger als ein Club“, erklärt ein prominenter Barça-Anhänger nach dem anderen tagtäglich in der größten katalanischen Tageszeitung La Vangardia.

Die Zahlen sprechen für sich. Noch nie stand der FC Barcelona so tief in der Tabelle der Primera División: Platz 13 nach 14 Spieltagen. Nur zwei Punkte trennen die Blau-Roten von der Abstiegszone, aber immerhin acht von der Champions League und gar sechzehn von Tabellenführer Real Sociedad San Sebastián. Von 14 Spielen hat das Team nur vier gewonnen. Über diese Minusbilanz können auch die Siege in der Champions League nicht hinwegtäuschen. „Eine Grenzsituation“, gesteht Trainer Louis Van Gaal ein. An Rücktritt denkt er nicht. „Ich genieße das Vertrauen der Spieler und des Präsidenten“, wiederholt er einmal mehr.

„Van Gaal wird beim FC Barcelona Geschichte schreiben“, erklärte 1997 der Präsident von Ajax Amsterdam, Michael van Praag, als er seinen Coach von den Grachten ans Mittelmeer ziehen ließ. Er sollte Recht behalten, auch wenn er es sicher ganz anders gemeint hatte. Van Gaal, der nur in seiner ersten Spielzeit Titel holte, sollte zum Ende der 22-jährigen Präsidentschaft von Josep Lluis Nuñez im Jahr 2000 beitragen. „Ich hoffe, dass Van Gaal dem Club noch viele Jahre erhalten bleibt“, erklärt Gaspart. Er hält verbissen an seinem Coach fest, obwohl er weiß, dass dies ohne einen Sieg heute Abend in Mallorca nicht länger möglich sein wird.

Aussitzen, das scheint die Devise von Präsident Gaspart zu sein. „Gerade jetzt muss ich mehr denn je durchhalten. Das ist meine Verantwortung“, erklärt der hagere Mann, der vor zweieinhalb Jahren das Erbe des ewigen Barça-Chefs Nuñez antrat. „Ich habe nichts Schlechtes gemacht“, fügt er trotzig hinzu, und das, obwohl ihm mittlerweile selbst seine Frau und seine Kinder den Rücktritt nahe legen. Auch im Barça-Vorstand gärt es. In seiner kurzen Amtszeit hat Gaspart bereits fünf Vizepräsidenten verloren. Die letzten zwei traten diese Woche zurück. Sie forderten von Gaspart vergeblich vorgezogene Vorstandswahlen.

Einer der beiden, Joan Castells, war Kassenwart des Vereins. Die Töpfe, die er hinterlässt, sind leer. „Wir hatten die entsprechenden Einnahmen. Doch eine Politik der teuren Spielerkäufe hat das zunichte gemacht“, beschwert er sich. Doch trotz hoher Ausgaben hat der Club keine wirklichen Stars vorzuweisen. Längst vergessen sind die Zeiten, als in Barcelona ein Stoitschkow, ein Romario oder gar ein Ronaldo dem Ball nachjagten. Letzterer spielt nach einem Auftritt in der italienischen Liga jetzt beim Erzrivalen in Madrid. Dort ist der Weltfußballer des Jahres nur einer von vielen. Raúl, Zidane, Figo – eine Mannschaft, die in Katalonien so manchen vor Neid erblassen lässt.

Viele derer, die den Rücktritt Gasparts fordern, haben bereits einen Nachfolger im Visier: Johann Cruyff. Der ehemalige holländische Nationalspieler und Barça-Erfolgstrainer hätte sicher das ideale Profil, wäre da nicht ein kleiner Makel. Er ist kein Katalane. Bisher waren das alle Präsidenten, denn der FC Barcelona bewegt sich seit jeher im Dunstkreis der nationalistischen Parteien.

Während Gaspart bei seinen Weihnachtsbesuchen in den Fanclubs die richtigen aussuchen muss, um nicht ausgepfiffen zu werden, feiern ihn die Fans beim Erzrivalen Real Madrid. „Er ist unser bester Mann. Besser als Figo, Zidane oder Ronaldo“, lautet einer der aktuellen Lieblingssprüche der Fans der Königlichen. Doch kaum gesagt, wird so mancher schnell melancholisch. Denn ohne die ewigen Hahnenkämpfe zwischen Blau-Roten und Weißen wäre die Primera División nicht einmal halb so schön.

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