: Fernsehen für Europas Imperatoren
Während die Privatsender zwischen den Jahren knausern und versuchen, sich mit „Sissi“ aus der Affäre zu ziehen, protzen die Öffentlich-Rechtlichen mit teuer koproduzierten Historienschinken über „Julius Caesar“ oder „Napoelon“ – um sie dann auf entlegenen Sendeplätzen zu verstecken
von CHRISTIAN BUSS
Wer wissen möchte, wie die Zukunft des deutschen Fernsehens aussieht, erhält über die Feiertage einen ersten Eindruck: Neue Monumentalproduktionen und Wiederholungen bestimmen das Programm. Glaubt man den Drohungen der TV-Manager, geht das die nächsten Jahre so weiter. Mit wenigen Großwerken wird um Quote gebuhlt, die restliche Sendezeit wird kostengünstig gefüllt. Nun war Weihnachten schon immer die Zeit, in der die Programmgestalter den Staub von den Kopien der Filmklassiker pusteten, um diese dann mit dem jeweils aktuellen Mehrteiler zu versenden; da unterschieden sich die Anbieter in der Vergangenheit wenig.
Doch dieses Jahr gibt es eine krasse Umschichtung: Die von der Werbeflaute gebeutelten Privatsender setzen auf Recycling oder Lizenzprogramme. Bei Sat.1 etwa zieht man mit der ausgeblichenen Adelsliebelei „Sissi“ in die Schlacht um die Primetime des ersten Weihnachtstages; das wirkt wie eine Kapitulationserklärung für einen Sender, der sich einst durch ambitionierte Eigenproduktionen hervorgetan hat. Bei den gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen sieht es anders aus. Deren Fernsehfilmredakteure befinden sich in einer Art Geschichtsrausch und haben offensichtlich den Überblick über die in Auftrag gegebenen Projekte verloren; teilweise verfeuern sie ihre prestigeträchtigen Feldherrengemälde auf unattraktiven Sendeplätze. Zudem sind es Mischproduktionen, in denen das Risiko durch möglichst viele Investoren klein gehalten wird.
Imperator auf Malta
Die Mammutwerke aus diesem Jahr handeln von den Gigantomanen der europäischen Geschichte, von Julius Cäsar, Friedrich dem Großen und immer wieder von Napoleon. Der Schlachten-und-Ränke-Zweiteiler „Julius Caesar“ ist eine typische multinationale Wahnsinnsveranstaltung. Auftraggeber sind Turner Network Television und die ARD-Tochter Degeto; das Budget von 25 Millionen Euro wurde über Medienfonds zusammengebracht. Regie führte Uli Edel („Letzte Ausfahrt Brooklyn“), der sowohl Erfahrung mit dem deutschen Fernsehen hat als auch mit der amerikanischen Entertainmentindustrie. Edel drehte überall dort, wo die Landschaft eine kostengünstige Kulisse abgibt und die Statisten nichts kosten. Auf Malta ließ er das Forum Romanum nachbauen, in Bulgarien die Massenszenen drehen. Das Ensemble setzt sich aus Altstars mit moderaten Honorarforderungen und TV-Vieldrehern zusammen: Das US-Kantengesicht Christopher Walken mimt Caesars Gegenspieler Cato, während der deutsche Schwiegermutterbezirzer Christian Kohlund den treuen Senator Lepidus gibt. Der Ire Richard Harris, der kurz nach Dreh verstorben ist, spielt den machttrunkenen Usurpator Sulla, und der Serienstar Chris Noth, der Mr. Big aus „Sex And the City“, verkörpert den Feldherren Pompeius. So tummeln sich viele vertraute Gesichter im alten Rom, und mit Schauwerten wird ebenfalls nicht gegeizt – auch wenn das digital nachbearbeitete Schlachtengetümmel dann doch weit unter Hollywoodstandard geblieben ist.
So wie das am Computer zurechtmanipulierte Schwerterklirren langweilt, weil die immer gleichen 300 Komparsen vor wechselnden Kulissen aufeinander einschlagen, so kann auch die Entwicklungsgeschichte des Imperators nicht fesseln. Denn zwischen den aus allerlei Ländern rekrutierten Darstellern will sich kein rechtes Zusammenspiel entwickeln. Die Dialoge sind blass; die deutschen Schauspieler reden mit solch befremdlichen Stimmen, als seien sie in der Nachbearbeitung von anderen Sprechern synchronisiert worden. In diesem Punkt unterscheidet sich „Julius Caesar“ wenig von der Eurosauce, die einst aus den privaten Sendern raustropfte.
Da mutet das Revoluzzerspektakel „Andreas Hofer“ umso eindrucksvoller an. Hier geht es um den Kampf der Tiroler, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts für ihr „Landl“ gegen Napoleon erhoben, und gerade dieses konsequent im Alpenidiom gespielte Bergbauernopus weist jene Qualitäten auf, welche die großen Kaiserdramen vermissen lassen: Die Charaktere sind glaubhaft und die psychokulturellen Zusammenhänge hinter den historischen Daten schlüssig. Tobias Moretti, der auch in „Julius Caesar“ auftritt und dort als Verschwörer Cassius farblos wie seine Toga bleibt, spielt den Titelhelden als Freiheitskämpfer mit rustikalem Gemüt. So liefert das Streben des Tiroler Völkchens um die eigene Identität den Stoff für einen Film, der authentischen Glanz verbreitet zwischen all den Historienfantasmagorien. Im ORF erzielte die Produktion zur Primetime eine Traumquote, die geschichtsübersättigte ARD zeigt sie spät abends.
Ben Becker ficht
Auch beim ZDF herrscht eine sonderbare Auffassung darüber, was etwa ein attraktiver Sendeplatz ist. Die Mantel-und-Degen-Operette „Friedrich Freiherr von der Trenck“ ist als Zweiteiler konzipiert, wird jetzt aber an einem Stück versendet. Es geht um Friedrich II. und seinen legendenumwobenen Günstling. Während August Zirner redlich die Widersprüchlichkeit des preußischen Souveräns zeigt, der zwischen Humanismus und Militarismus hin- und hergerissen war, poltert ihm immer wieder Ben Becker in die Monologe. Becker muss in der Rolle des Titelhelden reiten, fechten und die höfische Etikette verletzen. Die artistischen Gockeleien absolviert er angestrengt mit rotem Kopf. Der sieben Millionen Euro teure Historienklotz wird nun lieblos auf Arte versenkt, weil sich das Zweite längst auf ein Ereignis noch größerer Dimension vorbereitet. Im Januar läuft nämlich der Vierteiler „Napoleon“, mit dem man in Sachen Gigantomanie locker „Caesar“ toppt – wenn auch die Machart ähnlich ist: Internationale Routiniers wie Gérard Depardieu oder John Malkovich treffen auf TV-Lieblinge wie Marie Bäumer oder Heino Ferch. Über 40 Millionen Euro mussten dafür hingeblättert werden.
In Anbetracht des deutsch-französischen Europuddings muss man hervorheben, dass beim ZDF auch sinnvollere Kooperationen praktiziert werden. Etwa Krimimehrteiler nach Henning Mankell, in den man glücklicherweise keine deutschen Seriengesichter hineindiktiert hat. So kann in „Die fünfte Frau“ der düstere Kosmos des schwedischen Kommissars Wallander lebensnah auf den Bildschirm gebracht werden. Die Bilder sind diesmal noch grober gepixelt, die Tötungstechniken noch bizarrer, der Rhythmus noch elegischer. Ein schönes Gegenstück zu all dem hysterischen historischen Fanfarengetöne.
Ebenso antizyklisch nimmt sich die Improvisationsromanze „Blind Date 3“ aus, die in ihrem minimalistischen Charme wie eine Unterwanderung des neuen öffentlich-rechtlichen Prunkfernsehens erscheint. Statt satter Panoramabilder gibt es nüchterne Großaufnahmen aus dem Fahrstuhl, statt Aggressoren treten Allerweltstypen auf. In dem dritten Teil ihres TV-Experiments treffen sich Olli Dietrich und Anke Engelke, die Method-Actors der deutschen Comedy, im Fahrstuhl und improvisieren sich eine Stunde lang zärtlich aneinander heran. So billig, so schön kann Fernsehen sein.
„Friedrich Freiherr von der Trenck“, Mi., 25. 12., 20.40 Uhr, Arte; „Julius Caesar“, Fr., 27., und So., 28. 12., jeweils 20.15 Uhr, ARD; „Blind Date 3“, Fr., 27. 12., 22.15 Uhr, ZDF; „Andreas Hofer – Freiheit des Adlers“, So., 28. 12., 22.10 Uhr, ARD; „Die fünfte Frau“, So., 29. 12, 21.50 Uhr, und Mo., 30. 12., 22.00 Uhr, ZDF; „Napoleon“, ab Mo., 6. 1., 20.15 Uhr, ZDF
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