: Der Sommer, der ins Wasser fiel
In Hitzacker lief das Wasser in die Altstadt, in Dömitz wollten sich viele nicht evakuieren lassen, Lauenburg versteckte sich hinter Sandsackwällen. In Hamburg erwies sich die Angst vor der Flut als unbegründet. Und auch das große Fischsterben blieb aus
von SANDRA WILSDORF und GERNOT KNÖDLER
Dömitz, 21. August: Blauer Himmel, warm, ein Sommertag. Doch der Ort an der Elbe wirkt verlassen. Fenster in Keller und Erdgeschoss sind mit Brettern vernagelt und Plastikfolie verklebt, vor Kellerluken und Eingangstüren stapeln sich Sandsäcke, Türschlösser sind mit Klebeband versiegelt. Die Menschen sind entweder fort oder auf dem Deich, wo sie der unaufhaltsam steigenden Elbe zusehen. Einen Tag später gehört Dömitz zu den evakuierten Dörfern. Doch viele Bewohner bleiben einfach da. Am Ende behalten sie recht. Die Deiche halten.
In Hitzacker – auf der anderen Seite der Elbe – gibt es gar keinen Deich. Die Bewohner der historischen Altstadt sind Überschwemmungen gewöhnt, aber nicht diese Flut. Von vorne drückt die Elbe in die Straßen, von unten blubbert stinkendes Grundwasser durch die Gullis, von den Seiten kommt die Jeetzel. Die Altstadthäuser sind nur über Stege zu erreichen, statt Autos fahren Kanus.
In Lauenburg wird die historische Altstadt hinter meterhohen Sandsackwällen versteckt. Tagelang schuften Einwohner und Hilfsbereite aus ganz Norddeutschland – mit Erfolg. Die notdürftig erhöhten Deiche und Sandsackbarrieren halten.
In Hamburg ist von alledem wenig zu bemerken. Die Unterelbe läuft zwar voll, aber nicht über. Bereits Mitte August hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie errechnet, dass der Pegel im Hafen „maximal um wenige Zentimeter steigen werde“. Die Flussniederungen der mittleren Elbe nehmen einen Teil des Wassers auf. Der Rest verläuft sich in den vielen Armen und Hafenbecken des Stromspaltungsgebietes. Auch das Stauwehr in Geesthacht hält dem Wasser problemlos stand. In Hamburg spielt die Sommerflut nur eine Nebenrolle, stattdessen kämpfen hanseatische Hilfskräfte in der Partnerstadt Dresden gegen den Fluss.
Sie veränderte allerdings die Qualität des Elbwassers. Der Sauerstoff-Gehalt sank wegen des trüben und nährstoffreichen Wassers von zehn bis zwölf auf lediglich drei Milligramm pro Liter. Für die meisten Fische blieb das aber an der Grenze des Erträglichen. Das befürchtete große Fischsterben blieb aus. Wer Elbfische gerne isst, sollte sich dennoch in den nächsten Jahren zurückhalten. Aus überfluteten Kläranlagen, Lagerhallen und Fabrikgeländen brachte der Strom Schadstoffe nach Hamburg, die sich zum Teil in den Fischen angereichert haben dürften. Bei Schwermetallen wie Quecksilber, Arsen und Blei maß die Wassergütestelle Elbe eine um das Zehnfache erhöhte Konzentration. „Da ist in zwei Wochen das aufgelaufen, was sonst im Jahr anfällt“, sagte der Leiter der Wassergütestelle, Heinrich Reincke.
Das in winzigen Mengen vorkommende und gefährliche Dioxin stellte Reincke zufolge kein Problem dar, da es stark verdünnt wurde. Ohnehin dürfte die Strömung die meisten Schadstoffe in die Nordsee gespült haben. Dem aus Tiefbrunnen stammende Trinkwasser Hamburgs drohte keine Vergiftung.
Wie die gewaltigen Sommerregenfälle zuvor belebte auch das Hochwasser die öffentliche Debatte über Umweltschutz. Bodenversiegelung, Einengung der Flüsse und Klimakatastrophe wurden für das Anschwellen des Stromes verantwortlich gemacht. Da letztere nur noch abgemildert werden kann, müssen Orte wie Hitzacker mit weiteren Fluten rechnen.
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