: Otto: Ogottogott!
Das historische taz.mag-Festmenü zum Jahresende. In diesem Jahr: drei von neun (!) Gängen des Mahls, bei dem Otto von Bismarck zum letzten Mal Wilhelm II. traf
von MANFRED KRIENER
Vorspeise: Püreesuppe von Rindfleisch und Huhn. Wir brauchen für vier Portionen: 200 g Poulardenbrust, 500 g Ochsenbrust, 1 Zwiebel, 1 Bund Suppengrün, 50 g Reis, 2 Eigelb, 100 ml Sahne, 1 Bund Thymian, 1 Bund Petersilie, Butter, Muskat.
Der Hamburger Koch Kai Wendt (Restaurant „Heimbuche“) hat für diese Suppe ein Rezept aus dem 19. Jahrhundert gefunden. Das Ochsenbrüstchen mit eineinhalb Litern kaltem Wasser aufsetzen und zum Kochen bringen. Fleißig Schaum abschöpfen. Die halbierte Zwiebel mit der dunklen Schale zugeben, nur die äußerste Lage entfernen. Salzen, ein paar Pfefferkörner rein und eine Stunde auf kleiner Flamme köcheln. Dann die Poulardenbrust dazugeben, das klein geschnittene Suppengrün und den Thymian. Eine weitere halbe Stunde köcheln lassen, bis die Fleischstücke weich sind. Die beiden Brüste rausnehmen und halbieren, die Brühe durch einen Durchschlag seihen, das Suppengrün herausnehmen.
Der Reis wird in einem halben Liter der Brühe weichgekocht. Anschließend dürfen wir durchdrehen! Je eine Hälfte der beiden Fleischstücke zusammen mit dem Reis durch die feinste Scheibe des Wolfs drehen. (Notfalls NachbarIn fragen!) Mit einer Küchenmaschine geht’s auch, nicht mit dem Pürierstab.
Die durchgedrehte Masse zurück in die Brühe und die Suppe nochmals anheizen. Inzwischen die Sahne mit den Eigelb verrühren und die verbliebenen Hälften des Fleischs in mundgerechte Bissen schneiden. Sobald die Suppe kocht, wird sie vom Herd gezogen und mit geriebener Muskatnuss gewürzt. Jetzt das Sahne-Ei-Gemisch und einen Stich Butter mit dem Zauberstab einrühren, die Fleischstückchen in die Suppe geben und mit fein gehackter Petersilie anrichten. Zur Suppe könnte unser Pfälzer Weißburgunder passen.
Hauptgericht: Rehrücken mit Kartoffeln und Rosenkohl. Wir brauchen: 1 Rehrücken, 2 Glas Wildfond (Puristen nehmen Knochen und Suppengrün, um den Saucenfond selbst zu kochen), ein Bund Thymian, drei Zweige Rosmarin, 1 Esslöffel Preiselbeeren, Butter.
Wild war damals äußerster Luxus, heute gibt es den edelsten Teil des Rehs zum Gegenwert eines Facharbeiterstundenlohns. Den vom Metzger oder von eigener Hand ausgelösten Rehrücken müssen wir in Öl kräftig anbraten, salzen und pfeffern. Jetzt ein Pfützchen Öl in eine Raine oder ein Backblech geben, den Rücken zusammen mit einigen Rosmarinnadeln und etwas Thymian zwölf bis fünfzehn Minuten (je nach Größe) bei 200 Grad im Rohr fertig braten. Herausnehmen, mit Alufolie abdecken und auf dem warmen Herd drei Minuten ruhen lassen. So sammelt sich der Fleischsaft in den Poren. In der Zwischenzeit haben wir den Wildfond auf ein Drittel der ursprünglichen Menge reduziert. Jetzt die Preiselbeeren und wiederum etwas fein gehackte Rosmarinnadeln und Thymian zugeben und mit einem Stich eisgekühlter Butter binden. Als Beilage gibt’s die von Bismarck heiß geliebten Kartoffeln – damals noch gekocht, also ohne Acrylamid – und Rosenkohl. Auch Rote Beete, womöglich ein wenig karamellisiert, passen sehr schön. Der Rotspon aus dem Burgenland (siehe Weinempfehlung) müsste ihn perfekt begleiten.
Dessert: Apfelsineneis mit Mandelküchlein. Wir brauchen: 8 Orangen, 2 Eigelbe, 50 g Zucker, 250 g süße Sahne, 4 Esslöffel Orangenlikör (zum Beispiel Cointreau), Orangenzesten (abgeriebene Schale einer Bio-Orange), 1 Packung Mandelkekse „Amaretti“. Tief gekühlte Himbeeren, von der Haut befreite Filets einer Orange.
Heute ist dieses Dessert kinderleicht zu kochen, damals war es eine ziemlich ambitionierte Wahl, denn die Speise musste in einer Metallschüssel in zerstoßenem Eis gerührt werden. Wer sich Eis beschaffen kann, darf diese Prozedur gerne wiederholen. Die anderen machen’s zeitgemäß und stecken das Parfait in den Froster.
Zuerst die acht Orangen auspressen und ihren Saft auf 150 ml einkochen. Die Orangenzeste in den reduzierten Saft geben und kurz mitkochen. Die beiden Eigelbe mit dem Zucker schaumig schlagen. Den abgekühlten Orangensaft samt Zesten mit dem Eigelb-Zucker-Gemisch verrühren. Diese duftige Mischung mit Orangenlikör aromatisieren. Zum Schluss die geschlagene süße Sahne vorsichtig unterheben. Den Brei füllen wir in eine kleine Terrinen- oder Sandkuchenform, die wir mit Plastikfolie ausgelegt haben (dann lässt sich das Parfait nachher leichter herausheben). Das Ganze im Froster sechs Stunden lang frieren. HeldInnen der Arbeit backen in der Zwischenzeit einen Mandelkuchen. Die anderen lesen ein wenig über Bismarck nach, ärgern sich, dass die taz ausgerechnet den Eisernen mit dem Festmenü ehrt – und bringen eine Tüte Mandelkekse in Stellung.
Damit das Eis schön cremig wird, muss es vor dem Servieren zehn Minuten bei Zimmertemperatur antauen. Es wird in Scheiben geschnitten und zusammen mit den Mandelkeksen auf einem zuckergepuderten Teller angerichtet. Dazu kann man einige Orangenfilets anlegen und etwas Sauce aus pürierten Himbeeren über den Teller tröpfeln.
Bismarck hätte zum Ende des Essens eine Zigarre geraucht. Wir empfehlen ein Gläschen Port. Den Bismarckhering bitte erst am nächsten Morgen. Wenn Sie dieses Essen authentisch zelebrieren, empfiehlt es sich, den Gürtel weiter zu schnallen und mit großen Bissen reinzuhauen. Für das neungängige Menü hatten die Protokollanten lediglich eine Stunde vorgesehen. Das war nicht zu schaffen. Aber schon nach neunzig Minuten, berichten Chronisten, sei die Tafel tatsächlich abgeräumt worden. Nicht nur die Essgeschwindigkeit, auch die Portionen waren gewaltig. Kai Wendt: „Man kalkulierte mit der dreifachen Menge heutiger Essen.“
MANFRED KRIENER, 49, ist freier Journalist in Berlin und Chef der taz.mag-Sättigungsbeilage
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