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Mehr als nur eine Brücke

Nach dem Entwurf des Architekten Gerhard Spangenberg für die Brommybrücke soll nicht nur eine neue Brücke über die Spree entstehen. Berlin würde auch die Tradition der Living Bridges beleben

von UWE RADA

Berlin, heißt es, habe mehr Brücken als Venedig. Doch eine Ponte Rialto, auf der man nicht nur den Canal Grande überqueren, sondern in den kleinen Läden auf beiden Brückenseiten auch Ansichtskarten kaufen kann, hat Berlin nicht. Noch nicht. Mit den Plänen für eine neue Spreebrücke an der Brommystraße hat sich der Architekt Gerhard Spangenberg das ehrgeizige Ziel gesetzt, Berlin zu einer „Living Bridge“ zu verhelfen.

Eine Brücke mit Leben

Eine „Living Bridge“ oder „Überbautenbrücke“, wie dieser Brückentyp im Deutschen heißt, gibt es hierzulande nur noch in Erfurt. Dort führt die Krämerbrücke mit ihren kleinen Kunstgewerbeläden über die Gera. In Berlin wurde die letzte Brücke dieser Art, die alte Mühlendammbrücke, 1892 abgerissen. Für Spangenberg ist es damit Zeit, diese Tradition wiederzubeleben. „Einer muss damit anfangen, und ich würde gerne derjenige sein“, sagt Spangenberg der taz. Schließlich habe es auch der nahezu vergessene Bautyp der überdachten Passage zu einer Renaissance gebracht.

Der Brückenschlag über die Spree ist für Spangenberg auch ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstadt. „Überall im Städtebau wird Nutzungsmischung groß geschrieben. Nur die Brücken haben bislang ihre Monofunktion behalten können“, sagt der Architekt, der in Berlin neben den Treptowers auch den Neubau der taz in der Kochstraße entworfen hat.

Anders als bei den historischen Vorbildern sollen die verkehrliche und die sonstige Nutzung allerdings nicht auf einer Ebene stattfinden. Stattdessen überspannen zwei parallele Tragwerkkonstruktionen mit gläsernen Überbauten die eigentliche Brücke. Auf jeweils zwei Geschossebenen sollen damit über der Verkehrsfläche von 932 Quadratmeter auch 2.635 Quadratmeter Fläche für Gastronomie und Geschäfte entstehen. Mit dieser Konstruktion, so Spangenberg, sei es möglich, dass sowohl die Fußgänger und Autofahrer auf der unteren Ebene den Panoramablick über die Stadt genießen als auch die Nutzer in den beiden oberen Geschossen.

Finanzielles Neuland

Mit dem Entwurf für die neue Brommybrücke betritt Spangenberg aber nicht nur architektonisches, sondern auch finanzielles Neuland. Zwar ist der Neubau der 1945 gesprengten Brommybrücke im Investitionsplan des Landes Berlin und auch in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und PDS festgehalten. Doch eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln ist damit nicht verbunden. Deshalb will Spangenberg die späteren Nutzer der Brücke das 23-Millionen-Euro-Projekt finanzieren lassen. Zwei Partner aus der Immobilienbranche hat Spangenberg bereits im Boot: Die Media Spree GmbH, ein Zusammenschluss von Investoren auf beiden Seiten der Spree will die Projektentwicklung übernehmen, der Immobilienmakler Gottfried Kuppsch mögliche Nutzer gewinnen.

Unterstützt wird das Projekt aber auch von Franz Schulz, dem Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, sowie von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder. Immerhin würde mit der Brommybrücke nicht nur die zweite Brückenverbindung zwischen Friedrichshain und Kreuzberg und ein architektonisches Wahrzeichen für Berlin entstehen.

Sie würde auch dem wachsenden Verkehrsbedarf zwischen der 1,5 Kilometer voneinander entfernten Oberbaum- und Schillingbrücke Rechnung tragen. Schließlich soll auf dem Gelände des Ostgüterbahnhofs bereits ab kommendem Frühjahr mit dem Bau der 16.000 Zuschauer fassenden Arena der Anschutz-Gruppe begonnen werden. Später soll um die Arena sogar ein neuer Stadtteil entstehen.

Aber auch auf der Kreuzberger Seite soll bald mit der Entwicklung des Spreeraums begonnen werden. Immerhin liegt zwischen der Schillingbrücke und der Oberbaumbrücke nach übereinstimmender Ansicht der Immobilienexperten die künftige Entwicklungsachse in der Berliner Innenstadt.

Ob Berlin aber wirklich die erste Stadt sein wird, in der die Wiedererfindung der Überbautenbrücken beginnt, ist noch nicht ausgemacht. In London gibt es bereits Pläne für eine Fußgängerbrücke mit Läden, Wohnungen und Büros, und auch in Rotterdam liegen die Pläne für eine Living Bridge in der Schublade. Gleichwohl ist Spangenberg optimistisch. „Eine reine Gedankenspielerei ist das nicht, ich will diese Brücke auch realisieren.“

Doch finanzieren müssen sie die künftigen Nutzer. Und auch Spangenberg räumt ein: „Der Quadratmeter Nutzfläche wird bei einem solchen Projekt natürlich teurer als bei einem Bau auf der grünen Wiese.“ Doch dafür soll es auch einen Anreiz geben. Wer die Brücke finanziert, bekommt künftig auch die Namensrechte. Dann könnte das Wort Brommybrücke bald schon zum eingetragenen Warenzeichen werden.

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