Rechte Verschwörungstheoretiker: Schluss mit Schnullipulli
In Leipzig trifft sich der „wahnsinnige Rand“ des politischen Spektrums. Gehetzt wird gegen die Homo-Ehe. Mit dabei: Thilo Sarrazin und die AfD.
BERLIN taz | „Feindbild Mutter“, heißt die Titelstory des neuen Compact-Magazins: „Ministerin Schröder – aus dem Amt gemobbt“. „Asylantenflut: Das Boot ist voll“, ist ein anderer Beitrag angekündigt. Compact ist das Magazin von Chefredakteur Jürgen Elsässer, der einen langen Weg von ganz links nach weit rechts gegangen ist. Anfang der 90er gehörte er zu den sogenannten Antideutschen, die gegen die Wiedervereinigung eintraten, war bei der linken Tageszeitung junge Welt, danach bei deren Abspaltung Jungle World.
Die junge Welt, zu der er später zurückkehrte, setzte ihn 2008 wieder vor die Tür, nachdem er „Ökologie, Feminismus, offene Grenzen, Klimaschutz“ als „postmodernen Schnullipulli“ bezeichnet hatte. Seitdem versammelt Elsässer das um sich, was im Englischen „lunatic fringe“ genannt wird – den „wahnsinnigen Rand“ des politischen Spektrums: Verschwörungstheoretiker, Rechtspopulisten, Querfrontler, wirre Einzelgänger. Elsässers Leistung ist es, dass er die Verwirrten und Randständigen mit denen zusammenbringt, die trotz extremer Positionen als anerkannte Gesprächspartner im öffentlichen Diskurs gelten.
Beide Seiten werden sich auch am Samstag in Leipzig zum Compact-Kongress „Für die Zukunft der Familie! Werden Europas Völker abgeschafft?“ treffen. Vor allem die Ablehnung von Homo-Ehe und Gender Mainstreaming steht in Leipzig auf der Tagesordnung.
Die frühere „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman und Nahostexperte Peter Scholl-Latour, die als Hauptredner angekündigt waren, haben inzwischen abgesagt. Scholl-Latour macht laut Elsässer „eine Auslandsverpflichtung“ geltend, Herman soll wegen „persönlichen Anfeindungen und Drohungen“ (Elsässer) abgesagt haben.
Nähe zur AfD
Auf der Redeliste verblieben ist Thilo Sarrazin, der sich bereits im Sommer gegen die Homo-Ehe ausgesprochen hatte: Es sei fraglich, ob man dafür den Begriff „Ehe“ verwenden solle, so Sarrazin in Compact: „Das ist ungefähr so, als würde man ein ’Faultier‘ als ’Löwe‘ bezeichnen.“
Vielleicht der größte Compact-Coup ist die Ankündigung einer Rede von Frauke Petry, Sprecherin der Alternative für Deutschland (AfD).
Compact sucht seit einiger Zeit die Nähe zur AfD. So trat der AfD-Unterstützer Karl Albrecht Schachtschneider auf einer Veranstaltung des Magazins auf und verteidigt jetzt den Leipziger Kongress gegen geplante Blockadeaktionen. Petry gab Compact im Vorfeld ein Interview, in dem sie die „freiwillige Selbstzensur in den Medien“ beklagte: „Heute gibt es Begriffe, die man nicht benutzen darf, sonst ist man schnell raus aus dem Medien.“ Ein Bündnis aus Antifa, Jusos und Piraten will am Samstag ab 8 Uhr vor dem Globana Trade Center den Kongress blockieren. Am Vorabend findet eine Gegenkonferenz statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht